„Gletscher und Grate“ wäre ursprünglich das Motto dieses Next Steps gewesen. Doch anstatt ins winterliche Hochgebirge zu fahren (u.a. aufgrund von zweifelhaften Bedingungen für Hochtouren), verschlug es uns ins sonnige Val di Mello, wo stattdessen Risse und Platten vom Feinsten am Programm standen.
Tag 1: Früh starten = mehr klettern?
Das waren zumindest unsere Gedanken, als wir am Donnerstag um 7:00 Uhr morgens Richtung Italien aufbrachen. Eine lange Tour würde sich am ersten Tag nicht ausgehen, so viel war klar. „Nur noch ein kurzer Stopp im Supermarkt, um am Abend nicht hungern zu müssen, und dann ab zum Bouldern!“, lautete daher der Plan. Die Auswahl an Blöcken ist groß im Val di Mello und Umgebung. Dank unserer Entscheidungsfreudigkeit wählten wir das erste Gebiet, das wir im Boulderführer fanden.
Kein Zustieg ohne den klassichen „Verhauer“
Was wir allerdings nicht fanden, war die Richtige Abzweigung im Wald: Der angeblich „kurze“ Zustieg wurde dadurch schnell zu einer recht mühsamen Krabbelei durch das dschungelartige Dickicht. Nach einiger Zeit fanden wir tatsächlich ein paar Felsblöcke, die dem Topo zufolge sogar mit unserem Ziel übereinstimmten. Nur die, für Bouldergebiete charakteristischen, weißen Malereien am Fels waren nirgends zu sehen. Allgemein schien das Gebiet recht wenig frequentiert zu sein und auch die Boulder sahen nicht besonders lohnend aus. So entschlossen wir uns, umzukehren und ein anderes, sonnigeres Bouldergebiet mit tatsächlich kürzerem Zustieg aufzusuchen.
Nur Luggi konnte es nicht mehr erwarten, endlich Fels unter die Finger zu bekommen und holte sich beinahe noch den First Ascent eines sehr beengenden Höhlenboulders. Alle anderen mussten sich noch ein wenig gedulden – knappe neuneinhalb Stunden nach Aufbruch aus Innsbruck war es dann endlich soweit: der erste Boulder konnte durchgestiegen werden! Ein wenig Zeit blieb uns noch bis zum Einbruch der Dunkelheit, die fleißig genutzt wurde, um gemeinsam an den Boulderproblemen zu tüfteln.
Noch die letzten Durchstiegsversuche im Scheinwerferlicht des AV-Busses, dann war es an der Zeit, die Unterkunft aufzusuchen. Mit einem besorgten Blick auf unsere Finger, denen schon nach dem ersten Tag im Granit ein deutlicher Hautverlust anzusehen war, fuhren wir zu unserem Heim für die nächsten Tage, um dort das Abendessen in Angriff zu nehmen und Kletterpläne zu schmieden…
Tag 2: Rissklettern im besten Granit – ein Traum für jede*n Kletterer*in
Unsere Wunschtouren waren schnell gefunden: „Luna Nascente“ und „Oceano Irrazionale“, zwei Riss-Klassiker im Val di Mello. Wecker auf 6:00 Uhr, Abfahrt um 7:00 Uhr, Rucksäcke gefüllt mit Friends in allen Größen, alles war bereit zum Klettern… wären da nicht die weisen Worte unserer Mentoren: Lieber noch einen Tag warten mit den „großen Touren“, und stattdessen mit etwas Gemütlicherem anfangen, um sich auf die Granitkletterei einzustimmen. Denn der Kletterstil, der hier erforderlich ist, hat kaum etwas mit dem zu tun, was wir vom Kalk gewohnt sind.
Team Oceano
So landete Team Oceano, bestehend aus zwei Seilschaften, in der Route „Il Risveglio di Kundalini“ (Allerdings nicht, ohne vorher noch ausgiebig den italienischen Espresso zu genießen – da konnten die Caféliebhaber unserer Gruppe einfach nicht widerstehen). Gleich im unteren Teil der Tour erwartete uns ein traumhafter Riss, der wie geschaffen war für unsere Friends. Bei solchen Rissen lautet die Devise: alles hinein, was geht – Hände, Füße, Friends, Keile – ansonsten ist ein Weiterkommen praktisch unmöglich.
Doch irgendwann endete das Risssystem leider, und übrig blieb nur eine glatte Granitplatte. Glücklicherweise war sie flach genug zwar, um mit viel Vertrauen in die Kletterschuhe praktisch „hinaufspazieren“ zu können. Zwar bot sie kaum Möglichkeiten, Zwischensicherungen zu platzieren, dafür aber umso mehr Freiheiten für die Wahl der Kletterlinie.
Diese wurde auch bestens genutzt – die Tour wurde von unseren zwei Seilschaften so unterschiedlich geklettert, dass man daran zweifeln könnte, ob es wirklich ein und dieselbe war… Noch ein Nickerchen am sonnigen Stand, eines nach der Tour, dann war alles dabei, was man für einen erfolgreichen Klettertag braucht.
Team Luna
Team Luna war währenddessen in einer Tour namens „L’Alba del Nirvana“ unterwegs– perfekt, um sich an das Granitklettern mit seeehr weiten Hakenabständen zu gewöhnen. Sie startete gleich mit einer dieser kaum absicherbaren, geneigten Platten – die Suche nach Bohrhaken war leider vergebens. Doch kein Problem für uns, mit jedem Meter kamen wir mehr ins Klettern hinein. Über schönste Platten- und Risskletterei stiegen wir die nächsten Seillängen nach oben.
Als Ausstieg wählten wir eine spezielle Variante, die vor allem hinsichtlich der Routenfindung eine große Herausforderung darstellte. Dies wurde Tobi zum Verhängnis, der sogleich die Haltekraft eines kleinen Klemmblocks austestete (der zum Glück den Test bestand). Nach einer kurzen re-adjustierung fand er den richtigen Weg und kletterte souverän bis zum Ende der Route.
Abseilen, Mittagspause am wunderschönen Bach im Val di Mello – inklusive einem Sprung ins kühle Nass für Peter und Felix – und anschließend den Tag im Klettergarten ausklingen lassen. Die Stimmung war gut und alle waren motiviert auf Samstag, der Tag, an dem unsere große Tour stattfinden sollte.
Tag 3: Wenn das Wetter wieder einmal nicht mitspielt
Doch wieder einmal kam alles anders als geplant. Es hatte geregnet in der Nacht. Ob die Wände trocken waren, ließ sich anhand der Webcam schwer erkennen, dafür aber, dass es wenig Sinn machen würde, bei so dichtem Nebel ins Tal hineinzufahren zum Klettern. Wir entschieden uns, stattdessen nach Lecco am Comer See zum Sportklettern zu fahren.
Ausgerüstet mit zwei Taschen voll Essen und einem Crashpad zum Sitzen ging‘s in den Klettergarten „La Discoteca“. Die steile Kletterei machte uns viel Spaß, ganz zum Leiden der Einheimischen, die nicht begeistert waren, dass eine so große Gruppe „ihren“ Klettergarten belagert. Hier befanden wir uns wieder im gewohnten Revier des Kalksteins – kleingriffige Leistenkletterei statt Handklemmern in Rissen, und die meisten Routen waren sogar schon wieder getrocknet.
Nur unsere stets motivierte Vicki musste unbedingt in eine der wenigen noch nassen Touren einsteigen. Mit der Unterstützung von einer Packung Taschentüchern für das Abtrocknen der nassen „Henkel“, wie sie die kleinsten Leisten stets bezeichnet, erreichte sie schließlich das Top.
Tag 4: Die letzten Kräfte aufbrauchen, bevor’s wieder nach Hause geht
Am letzten Tag teilten wir uns nochmals auf. Eine Gruppe kletterte die Tour „L’Alba del Nirvana“, die ein Teil des Teams schon am zweiten Tag gemacht hat. Schon beim Zustieg waren wir von anderen Seilschaften verfolgt, die das gleiche Ziel vor Augen hatten. Dank Peters souveräner Führung folgten sie auch unserer etwas länger als nötigen Zustiegsvariante und so waren wir die ersten am Start – zum Glück, denn nach und nach trafen immer mehr Seilschaften am Fuße der Einstiegsplatte ein.
Währenddessen versuchten sich die anderen an verschiedensten Boulderblöcken im Val di Mello, mehr oder weniger erfolgreich. Die Haut auf den Fingern wurde ebenso wie die Kraft immer weniger, was sich aber nicht auf die Motivation auswirkte. Rund um Mittag trafen beide Gruppen wieder aufeinander und nach einer kurzen, gemeinsamen Abschlussbouldersession ging‘s auch schon wieder den laaaangen Weg zurück nach Hause.
Fazit: Klettern im Val die Mello ist auf alle Fälle empfehlenswert, nur die Anreise ist länger als gedacht.
Bericht: Viki & Tom
Fotos: Hannah, Viki & Tom
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