„Ja“ zur Renaturierung heißt „Ja“ zur Rettung der Natur, zu erfolgreichem Klimaschutz und damit zum Erhalt der Lebensgrundlage jetziger und zukünftiger Generationen. Um die Wiederherstellung der Natur in den nächsten Jahren EU-weit zu forcieren, wurde im Juni 2024 das „Nature Restoration Law“ (NRL) beschlossen. Die Verordnung soll bedrohte Ökosysteme wie Wälder, Moore oder Auen in einen guten Zustand bringen. Das hilft nicht zuletzt vor allem uns Menschen.

Mensch und Natur haben gewonnen

Man könnte also meinen, es sei im Interesse aller Mitgliedsstaaten, sich um verbesserte Zustände gefährdeter Arten und Biotoptypen zu bemühen und dadurch die Lebensqualität der Menschen zu steigern: Erholung und florierender Tourismus in artenreichen Landschaften, lebende Böden für gesunde Lebensmittel, lebenswerte Städte und sauberes Wasser. Wer könnte damit ernsthaft ein Problem haben? Darüber hinaus bringt die Renaturierung auch wirtschaftliche Vorteile:

Eine intakte Natur erhöht die biologische Vielfalt, fördert die ökonomische und soziale Transformation und sichert langfristig unser Wohlergehen und unsere Handlungsmöglichkeiten – jeder investierte Euro generiert laut Wirkungsanalyse der EU-Kommission bis zum Jahr 2070 einen Mehrwert von durchschnittlich zwölf Euro. Dennoch ähnelten die Verhandlungen einem Krimi, an dessen Ende die EU-Renaturierungsverordnung nur äußerst knapp beschlossen wurde. Mit dem NRL gibt es nun endlich ein verbindliches, gesamteuropäisches Konzept, um unsere Natur langfristig zu erhalten und die ökologische Abwärtsspirale aufzuhalten.

NRL – zentrale Ziele und zeitlicher Fahrplan

Die Auswirkungen des Klimawandels und Artensterbens sind mittlerweile überall spürbar, sichtbar und messbar – das NRL bietet nun die Chance, EU-weit gegenzulenken. Konkret heißt das: Bis 2030 müssen mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der EU, bis 2050 alle betroffenen Ökosysteme innerhalb der EU in einen guten ökologischen Zustand gebracht werden. Dabei geht es auch um die Wiederherstellung von zum Beispiel städtischen Ökosystemen, die in Anbetracht zunehmender Wetterextreme wie Extremhitze und Starkregen immer wichtiger werden.

Die Verordnung liefert zentrale Zielvorgaben, bietet für die Mitgliedsstaaten aber auch ausreichend Freiraum und Finanzierungshilfe für eine praxisgerechte Umsetzung. Aktuell gilt es für Österreich, die EU-Verordnung in einen wirkungsvollen nationalen Wiederherstellungsplan zu übersetzen, der bis 1. September 2026 der EU-Kommission zur Prüfung übermittelt werden muss. So kann der Natur endlich das zurückgegeben werden, was ihr über Jahrzehnte durch fortschreitende Versiegelung und intensive Nutzung der Landschaft genommen wurde.

Umsetzung in Österreich: Gewässerrenaturierung und Bodenschutz

Die umfassende Wiederherstellung heimischer Fließgewässer und Feuchtgebiete zählt hierzulande zu den ganz großen Umweltbaustellen, für die das NRL eine Schlüsselrolle einnehmen könnte. Aktuell sind nur noch 14 Prozent der heimischen Flüsse ökologisch intakt und zwischen 80 und 90 Prozent der ursprünglichen Moore und Feuchtgebiete zerstört oder beeinträchtigt. Dabei sind intakte Moore und andere Feuchtgebiete aktive Klimaretter und unbedingt zu erhalten: Eine 15 Zentimeter dicke Torfschicht enthält auf gleicher Fläche so viel Kohlenstoff wie ein 100-jähriger Wald. Mit aufeinander abgestimmten Wiederherstellungsplänen der Bundesländer könnten Flüsse und Feuchtgebiete grenzüberschreitend wieder naturnäher gestaltet werden und ihre Funktion als wertvoller Lebensraum sowie für den Hochwasser- und Klimaschutz zurückerobern.

Nicht minder wichtig in Sachen Renaturierung ist eine Stärkung des Bodenschutzes, der in Österreich seit Jahrzehnten fatale Entwicklungen nimmt. Der Klima- und Biodiversitätskrise zum Trotz werden in Österreich pro Minute 80 Quadratmeter Boden Opfer der unerbittlich voranschreitenden Versiegelung. Diese Verschwendung fruchtbarer Lebensgrundlage gefährdet die Artenvielfalt, aber auch unsere eigenständige Versorgung mit Lebensmitteln und den Schutz vor Wetterextremen.

Turbo für klimafitte Land- und Forstwirtschaft

Insbesondere für die Klimawandelanpassung in der Land- und Forstwirtschaft bietet das NRL zahlreiche Chancen – zu nennen sind hier etwa der Aufbau klimafitter Wälder oder der Wasserrückhalt für die Landwirtschaft. Das Gesetz bietet zudem vor allem kleinstrukturierten land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die bereits viel zum Erhalt wertvoller Naturräume beitragen, die Chance, ihre Leistungen über eine freiwillige Teilnahme am Vertragsnaturschutz abgelten zu lassen. Wenn dadurch zukünftig immer mehr Betriebe mitziehen, können Synergien besser genutzt und weitere Kooperationen aufgebaut werden, die zu einer ganzheitlichen nachhaltigen Umgestaltung der Landwirtschaft beitragen.

Ohne den aktiven Schutz durch landwirtschaftliche Betriebe von Bestäubern wie Bienen und Schmetterlingen wäre die Ernährungssicherheit massiv gefährdet. In das gegenteilige Horn stießen einige kritische Stimmen, die im Kontext des NRL von Enteignung und der Gefährdung der Lebensmittelsicherheit sprachen und versuchten, Naturschutz und Lebensmittelsicherheit gegeneinander auszuspielen. Dass diese Ängste einer faktischen Grundlage entbehren, wird auch mit Blick auf den Rechtsrahmen rasch klar: In der EU-Verordnung ist Ernährungssicherheit sogar als zentrales Ziel verankert und auch Enteignungen stellen – allein aus rechtlicher Perspektive – kein realistisches Szenario dar. Grundsätzlich beruht in Österreich jegliche Außer-Nutzung-Stellung im Bereich von land- und forstwirtschaftlichen Flächen auf Freiwilligkeit – zum Mitmachen ist niemand gezwungen.

Machbare Lösungen gelingen nur gemeinsam

Doch diese kritischen Stimmen müssen ernst genommen werden und machen es umso wichtiger, von Anfang an alle Betroffenen und Interessengruppen ins Boot zu holen und gemeinsam machbare Lösungen zu erarbeiten. Wenn es gelingt, einen konstruktiven Austausch zu schaffen, wird auch der gemeinsame Mut entstehen, den es für den erstrebenswerten Einklang von Mensch und Natur braucht. Zahlreiche Dialoge der Vergangenheit geben Grund zur Hoffnung – denn sie haben gezeigt, dass gemeinsame Positionen möglich sind und eine wertvolle Voraussetzung bereits von allen Seiten mitgebracht wird: das Verständnis für die Notwendigkeit des Gesetzes.

Denn insbesondere Land- und Forstbewirtschafter*innen wissen – oft besser als andere –, dass intakte Ökosysteme unsere Lebensgrundlage sind. Den Sinn der Wiederherstellung von Lebensräumen in Natur- und Kulturlandschaften stellt also kaum jemand in Frage. Das Prinzip der Freiwilligkeit und die Schaffung von finanziellen Anreizen sind dabei wichtige Erfolgsfaktoren.

Doch das NRL ist ein großes Unterfangen und scheint mit seiner ambitionierten Zielformulierung noch viele zu überfordern. Daher ist es umso wichtiger, unter Einbindung aller Stakeholder*innen pragmatische Lösungsansätze zu finden, um Konflikten zu begegnen. Erforderlich sind jetzt mutige politische Entscheidungen, finanzielle Unterstützung und vor allem der notwendige Brückenschlag zwischen allen Beteiligten.

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Mag. Gerald Pfiffinger ist seit 2017 Geschäftsführer des Umweltdachverbandes. Davor hatte er 13 Jahre lang die Geschäftsführung von BirdLife Österreich inne.

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