Drei Skitourengeher*innen – drei Aufstiegsspuren
Die meisten von euch haben es schon erlebt. Man folgt einer Aufstiegsspur und ärgert sich immer wieder, dass die vorhandene Spur zu steil, zu flach, zu schmal oder mit zu wenigen bzw. zu vielen Spitzkehren angelegt wurde. Der Kenner bzw. die Kennerin kann einer Aufstiegsspur schnell den jeweiligen Tourentyp zuordnen:
Typ 1 – Die Rennsemmel: Rennanzug, ultraleichte Tourenskier und windschnittiger Minirucksack zeichnen diesen Typus aus. Die Spur ist schmal und steil. Auf Kurven und Spitzkehren kann man lange warten, die Spur führt in Falllinie zum Gipfel.
Typ 2 – Der Klassiker: Die Spur ist angepasst und auch für „normale“ Tourenskier breit genug. Spitzkehren werden angelegt, wenn notwendig, und man erreicht den Gipfel, ohne die höchste Steighilfe einzulegen. Für die meisten die angenehmste Art, den Gipfel zu erreichen.
Typ 3 – Der bzw. die Freerider/in: Die Klamotten werden baggy und die Skier breiter. Die Tourenbindung wiegt ungefähr gleich viel wie das gesamte Outfit der „Rennsemmel“. Die Spur ist flach. Alle 100 Meter finden sich zerstampfte Bereiche neben der Spur, die von einer ausgiebigen Pause zeugen. Spitzkehren sind selten, da diese mit den langen und breiten Latten nur sehr mühsam zu vollbringen sind. Nicht selten endet die Spur in Stapfspuren. Dort, wo die anderen Tourengeher*innen nämlich abfellen und die Abfahrt beginnen, geht bei den Freeridern die Tour erst richtig los.
Jeder der drei, natürlich etwas überspitzt beschriebenen Stereotypen, legt die Aufstiegsspur etwas anders an, aber es gibt auch einige Gemeinsamkeiten und Merkmale, die eine gute Spur ausmachen.
Was macht eine gute Aufstiegsspur aus?
Die Spur sollte gleichmäßig angelegt werden. Soll heißen, dass man möglichst darauf achtet, dass man eine homogene Steilheit erzeugt. Ein bequemes Gehen mit der mittleren Steighilfe wird für die meisten Skitourengeher*innen als angenehm empfunden. Ist ein intensiver Stockeinsatz notwendig, um nicht zurückzurutschen oder ist die dauerhafte Verwendung der höchsten Steighilfe erforderlich, ist die Spur zu steil. Ein Bereich zwischen zehn und 15 Grad hat sich in der Praxis bewährt.
Die Voraussetzung für eine homogene Spur ist eine vorausschauende Spurwahl. Das Gelände wird ständig evaluiert und die anzulegende Spur im Voraus geplant. Steile, kraftraubende Passagen sowie Senken oder Mulden, bei denen Höhenmeter verloren gehen, sollten unbedingt vermieden werden.
Eine sichere Spurwahl erscheint logisch, ist in der Praxis aber nicht immer ganz einfach. Die häufigsten Gefahren, denen wir auf Skitour ausweichen, sind steile Hangquerungen, eingeblasene Mulden, steile Geländekanten (Absturz), große Einzugsgebiete von Lawinen oder auch Seracs (Gletscher). Abhängig von den lokalen Bedingungen können Lawinen auch durch Fernauslösung auftreten (labiler Altschnee) und vermeintlich flache und sichere Hangabschnitte erreichen. Bei einem ausgeprägten Altschneeproblem sollten die betroffenen Tourenabschnitte sehr defensiv bewertet und große, homogene Hänge gemieden werden. Eingeblasene Bereiche sind an den Windzeichen und dem markanten Triebschnee einfacher zu erkennen als Hänge, die einen labilen Schneedeckenaufbau haben (Altschneeproblem).
Mit Richtungsänderungen sollte sparsam umgegangen werden, da sie mehr Kraft und eine höhere Aufmerksamkeit verlangen. Man wird aus seinem Rhythmus gerissen und verbraucht mehr Energie. Idealerweise werden Richtungsänderungen in Form von größeren Schleifen und Kurven gemacht, da sie ein homogenes Weitergehen ermöglichen. Ist eine plötzliche Richtungsänderung notwendig, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Bei Hängen unter 30 Grad schaffen wir die Richtungsänderung meist noch mit einer einfachen Kurve. Für Steilhänge (30 Grad und mehr) sind sogenannte Spitzkehren notwendig.
Wie nehme ich eine Richtungsänderung beim Tourengehen vor?
- Kurve (<30 Grad):
Wir starten mit dem Außenski und laufen in sieben Schritten einen Bogen aus. Der letzte (siebte) Schritt ist gleichzeitig der erste „normale“ Schritt in die neue Richtung.
- Spitzkehre (>30 Grad):
Bevor wir zur Spitzkehre ansetzen, achten wir darauf, dass die Spur annähernd eben ist. Der Bergski wird in weiterer Folge stark gedreht und in die neue Richtung gedreht. Bei weichem Schnee kann die Hinterseite des Bergskis unter den Talski eingestochen werden und eine breite Schrittstellung vermieden werden.
Spitzkehren sind meist wackelige Manöver, man braucht viel Übung, ausreichend Bein- und Hüftbeweglichkeit und ein gutes Gleichgewicht. Besonders Skitourenanfänger*innen bringen Spitzkehren häufig an den Rand ihrer Leistungsgrenze, weshalb man mit dem Setzen von Spitzkehren sehr sparsam sein sollte. Die gute Nachricht ist, dass man mit einer smart angelegten Spur den Großteil der Spitzkehren vermeiden kann! Die meisten Skitouren starten im Wald- oder Waldgrenzbereich. Ein Bereich, der häufig Wildfütterungen aufweist oder durch Waldschutzzonen oder Ruhezonen geschützt wird. Solch sensible Bereiche sollte man auch respektieren und umgehen. Sehr populäre Skitouren sind häufig mit einem Lenkungssystem ausgestattet, das besonders sensible Zonen schützt. Das macht natürlich Sinn und sollte von uns Wintersportler*innen auch ernst genommen werden.
Neben der Frage, wie eine Aufstiegsspur im Idealfall denn aussehen sollte, gibt es auch eine Reihe von Dingen, die man im Aufstieg beachten sollte. Es kommt nämlich nicht nur auf die richtige Spur an, sondern auch auf die Art und Weise, wie man aufsteigt.
Tipps für den Aufstieg:
Gleichmäßig und rhythmisch
Auch die fitteste Alpinist*in wird kurze Aufstiege als anstrengend empfinden, wenn die Geschwindigkeit zu hoch gewählt ist, dafür aber alle zehn Minuten eine Pause eingelegt wird. Beim Start, also in den ersten 15 Minuten, empfiehlt sich ein langsamer, gemächlicher Schritt, um dem Körper die Zeit zu geben, sich auf die Belastung vorzubereiten. Der Devise, „Die erfahrene Skitourengeher*in startet leicht fröstelnd!“, kann ich dabei relativ wenig abgewinnen. Wer leicht bekleidet vom Parkplatz wegstartet, neigt automatisch dazu, den Schritt schnell anzusetzen, um nicht mehr zu frieren. Ein absoluter Kaltstart für den eigenen Körper und vor allem für schwächere Gruppenmitglieder. Keinem fällt ein Zacken aus der Krone, wenn er langsam startet und nach 15 Minuten die oberste Bekleidungsschicht ablegt, um danach im gewohnten Tagesrhythmus fortzufahren.
Ein guter Rhythmus schließt regelmäßige Pausen nicht aus
Alle 60 Minuten sollten wir eine kurze Pause einplanen, um einen Schluck Tee zu trinken und bei Bedarf einen Riegel zu essen. Warmen, gezuckerten Getränken sind dabei klar der Vorzug zu geben. Die Pausenplätze sollten so gewählt werden, dass man den weiteren Routenverlauf gut einsehen kann und nicht im Wind steht. In der Praxis wird dies nicht immer möglich sein, aber mit etwas Übung und Erfahrung bekommt man schnell ein Gespür, wann eine Pause angebracht ist und wann man besser noch ein paar Meter weitergeht. Besonders windbeeinflusste Bereiche sind Kämme, exponierte Stellen oder Sättel.
Ein häufiger Fehler, den man auch bei erfahrenen Skitourengeher*innen häufig beobachten kann, ist das zu späte Anlegen der Harscheisen. Das Tückische dabei ist, dass man die Notwendigkeit von Harscheisen erst bemerkt, wenn es meist schon zu spät ist. Wieder gilt, dass man vorausschauend planen und entscheiden sollte, um dann später nicht überrascht zu sein. Harscheisen erhöhen nicht nur den Gehkomfort, sondern sind ein deutlicher Sicherheitsgewinn. Vor allem bei Frühjahrsverhältnissen und harten Firnflanken sind Harscheisen unbedingt erforderlich.
Bei Skitouren, die entlang von Kämmen oder überwechteten Graten führen, ist darauf zu achten, dass man die Spur nicht zu weit in Richtung der Wechte anlegt. Auch bei wenig Schnee können durch die Schneeverfrachtungen mächtige Wechten von mehreren Metern Höhe entstehen. Der genaue Verlauf der Bruchlinie ist nicht vorhersehbar, wird aber häufig unterschätzt. Immer wieder kommt es zu Unfällen aufgrund von gebrochenen Wechten.
Zum Abschluss noch einige generelle Standardmaßnahmen, die wir bei jeder Skitour beachten und anwenden sollen:
Den kleinen LVS-Check machen wir bei jeder Skitour bevor wir losgehen. Wie dieser funktioniert, seht ihr in unserem Sicher am Berg-Video! Dabei wird jedes Gerät auf seine Sendefunktion überprüft. Sind wir mit einer neuen Gruppe unterwegs oder am Start von einer mehrtägigen Skitour, dann empfiehlt sich, den großen LVS-Check zu machen. Dieser ist zwar etwas zeitaufwendiger. Dafür werden die Sende- und Empfangsfunktion überprüft. Außerdem sieht man relativ schnell, wer die Funktion seines LVS-Geräts kennt und die Grundfunktionen beherrscht. Regelmäßiges Üben mit dem LVS-Gerät, vor allem zu Beginn der Skitourensaison, sollte für jede Wintersportlerin und jeden Wintersportler eine Verständlichkeit darstellen. Nur wer sein Gerät kennt, kann einen Verschütteten im Ernstfall orten und ausgraben.
Eine weitere Standardmaßnahme ist das Einhalten von sogenannten Entlastungsabständen, sobald wir uns in steiles Gelände begeben, also in Hänge über 30 Grad. Auf diese Maßnahme kann verzichtet werden, wenn wir einen stabilen Harschdeckel vorfinden, uns im dichten Wald bewegen oder das Gelände bereits stark verspurt ist. Ansonsten halten wir uns an die Faustregel von 10 Meter Abstand. Dieser Abstand kann situativ auch nach oben korrigiert werden, wenn wir z.B. eine Rinne queren oder eine Steilstufe überwinden müssen. Abstände gibt es übrigens auch in der Abfahrt. Dort gilt als Faustregel 30 Meter Abstand. Sehr steile Abschnitte über 35 Grad werden sogar einzeln befahren.
Standardmaßnahmen auf Skitour:
- LVS-Check am Ausgangspunkt
- Abstände Aufstieg: 10 Meter ab 30 Grad. Abfahrt: 30 Meter, ab 35 Grad einzeln
- Gelände optimal nützen Was ist über/unter mir? Geländefallen?
- Orientierung „Ich weiß, wo ich bin.“ (Sicht!)
- Gruppe Offene Kommunikation, Tempo, Pausen, Gruppendynamik
Tipp: Unter www.sicheramberg.at findet ihr viele Video-Tutorials zum Thema Lawinenrettung und den kleinen wie auch den großen LVS-Check.
Thomas Wanner ist ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer und Mitarbeiter in der Abteilung Bergsport für die Bereiche Ausbildung und Sicherheit.
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