Betrachten wir das rein abfahrtsorientierte Freeriden auf der einen und das aufstiegsdominierte Skihochtourengehen auf der anderen Seite, als die beiden konträrsten Skidisziplinen im Bergsport, wird schnell klar, dass es nicht nur beim Sport an sich, sondern auch bei der Ausrüstung nur mehr wenige Gemeinsamkeiten gibt. Welche Ausrüstung wo Sinn macht bzw. bei beiden Disziplinen unbedingt mit dabei sein sollte, wollen wir im Folgenden genauer unter die Lupe nehmen.
Einer der größten Unterschiede ist mit Sicherheit im Ski-Setup zu finden. Die Kombination Ski, Bindung und Schuh ist bei den Skihochtourengehern stark gewichtsoptimiert. Bei den Freeridern hingegen bevorzugt man stabiles Material, dass auch bei hohen Geschwindigkeiten und schwierigen Schneebedingungen noch gut funktioniert.
Ski
Unterschiede liegen hier im Shape, der Größe und den verwendeten Materialien. Freerider wählen tendenziell längere Ski, da diese durch die starke Rockergeometrie trotzdem noch leicht zu fahren sind, bei höheren Geschwindigkeiten aber stabil liegen. Die Breite hat sich in den letzten Jahren zwischen 100 mm- 120 mm eingependelt. Der Trend zu den richtig breiten Latten (über 120mm) ist in die letzten Jahren etwas abgeflacht, da der marginale Vorteil im sehr tiefen Powder doch sehr viele Nachteile bei „normalen“ Schneebedingungen mit sich bringt. Skihochtourengeher hingegen bevorzugen Skibreiten zwischen 85 mm- 100 mm. Leichtbauweisen mit Carbonlaminaten und sehr leichten Holzkernen in Wabenbauweisen sind weit verbreitet, was zwar gut fürs Gewicht ist, aber sehr zu Lasten der Stabilität geht.
Bindung
Grundsätzlich unterscheiden wir 2 Typen von Bindungen. Die Rahmenbindung ist schwerer als die Pinbindung, überzeugt aber durch Einstiegskomfort, guten Kraftschluss und vor allem durch verlässliche Auslöseeigenschaften. Freerider greifen deshalb vorrangig zu stabilen Rahmenbindungen. Die klassische Pinbindung ist heute sicher der Standard bei Skitouren- und Skihochtourenanwendern. Der Gewichtsvorteil ist enorm und vor allem beim Anstieg spielt die Pinbindung ihre große Stärke aus, da man nicht den gesamten Hinterbacken anheben muss und sich eine ganze Menge Kraft spart.
Schuhe
Während der Unterschied bei Ski und Bindungen zum Teil eklatant ist, verschwimmt der Einsatzbereich im Schuhbereich zunehmend. Stabilität, Komfort und Passform sind Eigenschaften, die man sowohl beim Skihochtourengehen, als auch beim Freeriden sucht. Das wichtigste Kriterium bei der Schuhwahl ist aber die Passform. Schuhe sollten keinesfalls im Internet bestellt werden sondern beim gut sortierten Sportfachhandel. Ist die Wahl auf einen Skitourenschuh gefallen, gibt es noch eine ganze Reihe von Anpassungsmöglichkeiten. Schale, Innenschuh und Einlagesohle können heute für annähernd jeden Fuß moduliert werden. Das Brennen an der Fußsohle, Blasen beim Aufstieg oder Druckstellen sollten bei einem neuen und angepassten Tourenskischuh kein Thema mehr sein.
Immer mit dabei und Standard bei jeder Skidisziplin abseits markierter Pisten ist die vollständige Notfallausrüstung. Diesbezüglich gibt es keine Alternativen oder Abstriche!
Dazu gehören: Ein modernes 3-Antennen-LVS Gerät (vergesst dabei nicht den Batterie-Check am Beginn und laufend während der Saison sowie den Partnercheck vor jeder Tour), eine Lawinenschaufel aus Metall mit verlängerbarem Stil sowie eine leichte, aber robuste Spannsonde mit einer Länge von (mindestens) 2,40 Metern. Weiters sind ein Mobiltelefon mit vollem Akku, ein kleines Erste-Hilfe-Paket sowie ein 2-Mann-Biwacksack im Winter obligatorisch im Rucksack.
Apropos Rucksack: Beim Freeriden und bei eintägigen Skitouren im Hochwinter empfehlen wir ganz klar einen Airbag-Rucksack. Dieser ist bei Skihochtouren im Frühjahr nicht unbedingt notwendig, da wir hier meist relativ günstige Firnverhältnisse vorfinden. Zu dem benötigen wir für die erforderliche Zusatzausrüstung einen größeren Rucksack mit geringerem Gewicht.
Macht beim Freeriden mit vielen Runs ein Rückenprotektor absolut Sinn, ist dieser auf Skihochtouren mit meist nur einer Abfahrt pro Tag überflüssig, da zu unbequem, zu warm und zu schwer. Ebenso fällt beim Helm unsere Wahl auf Grund der hohen Geschwindigkeiten in der Abfahrt beim Freeriden natürlich auf einen Skihelm. Auf Skihochtouren verwenden wir besser einen leichteren Steinschlaghelm, der nicht nur in felsigen und eventuell steinschlaggefährdeten Aufstiegen sondern auch in der – hoffentlich kontrollierten – Abfahrt seine Dienste leistet.
Orientierung
Sowohl beim Freeriden als auch auf Skihochtouren darf eine topografische Karte nicht fehlen. Fällt beim Variantenfahren die Wahl eher auf eine Freeridemap mit farblich hinterlegter Schwierigkeitsbewertung des Geländes, greifen wir bei Skithochtouren auf die klassische AV-Karte mit eingetragenen Skitouren im Maßstab 1:25 000 zurück. Da wie dort erleichtert zu dem die alpenvereinaktiv.com- App die Orientierung im Gelände. Sind wir auf Skidurchquerung, machen als „Back-Up“ zur App ein eigenes GPS-Gerät, sowie eine Höhenmesser-Uhr Sinn. Tipp: Für die Sicherstellung der Stromversorgung aller Geräte empfiehlt sich ein kleines Akku-Pack.
Bekleidung und Sonnenschutz
Für beide gilt: Mütze und warme Ersatzhandschuhen, sowie eine Skibrille und eine qualitativ hochwertige (UV-Schutz), gut sitzende Sonnenbrille, eine Sonnencreme mit LF mind. 30 und ein Lippenschutz sind immer dabei. Zusätzlich dürfen bei Skihochtouren eine Schildkappe oder ein „Buff“ als Sonnenschutz, eine leichte Daunen- oder Primaloftjacke sowie ein Wechselleibchen nicht fehlen. Sind wir mehrere Tage unterwegs kommen noch Reservesocken, der obligatorisch geforderte Hüttenschlafsack und eine kleine Stirnlampe hinzu.
Proviant
Wann und was wir beim Freeriden verzehren ist herzlich „Wurscht“. Es gilt das Motto: ski, eat, drink – fertig. Bei Skihochtouren schaut die Sache anders aus, ist doch besonders die Flüssigkeitsaufnahme für den Leistungserhalt in der trockenen Höhenluft immens wichtig. „Ca. jede Stunde einen viertel Liter – am besten leicht gezuckerter Tee – trinken“ lautet hier die Devise. Zudem achten wir auf eine kohlehydratreiche Energiezufuhr in Form von Müsli- bzw. Energieriegel bei jeder zweiten Pause.
Hardware
Last but not least kommen wir zur Gletscher- bzw. seiltechnischen Ausrüstung – der Hardware, die in beiden Disziplinen so leicht und effizient wie möglich sein soll. In den letzten Jahren sind immer mehr Freeride-Abfahrten in Mode gekommen, die zum einen im vergletscherten Gelände stattfinden und bei denen zum anderen auch abgeseilt werden muss. Deshalb muss im Freeride- Bereich je nach Gebiet und Abfahrten im Zuge der Tourenplanung immer aufs Neue entschieden werden, welche Zusatzausrüstung mitgenommen werden muss. Sowohl beim Freeriden als auch auf Skihochtouren benötigen wir jedenfalls einen leichten Hochtourengurt mit öffenbaren Beinschlaufen, damit der Gurt auch mit Skischuhen bequem angezogen werden kann. Wollen wir nur Abseilen bzw. sind wir auf reinen Gletschertouren unterwegs, reicht uns ein 40 bis 60 Meter langes 6 Millimeter-Dyneema-Seil inklusive dem passenden Abseilgerät und den entsprechenden Seilklemmen und Reepschnüren für die Spaltenbergung. Aber Achtung: Der Umgang mit diesen statischen Seilen sowie die entsprechenden Rettungstechniken müssen im Vorfeld unbedingt geübt und beherrscht werden.
Sind wir auf Felsgraten unterwegs, fällt unsere Wahl besser auf ein dünnes, leichtes Einfachseil. Außerdem benötigen wir auf Gletschern einen leichten, nicht zu langen (<60 cm Schaftlänge) Pickel aus Stahl. Der Aluminiumpickel ist zwar um einiges leichter als jener aus Stahl, wenn er aber tatsächlich mit Blankeis in Berührung kommt, relativ nutzlos. Ebenso verhält es sich mit den Steigeisen: Bei Skihochtouren greift man besser auf die zwar schwereren, dafür aber auch für den Einsatz in Eis und Fels besser geeigneten Steigeisen aus Stahl zurück. Zudem sind beim Skihochtourengehen Harscheisen unverzichtbar. Beim Freeriden werden Harscheisen kaum und Steigeisen oft nur für Anstiege in hartem Firn oder Schnee bzw. als Back-Up benötigt, weshalb man hier in der Regel mit Aluminium-Steigeisen das Auslangen findet.
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