Wie kommt man ganz ohne Motor nach Italien? Familie Stöckl erzählt.
Reisen beginnen ja traditionell im Auto – entweder mit der Anfahrt zum nächsten Flughafen oder, in der Blechkolonne steckend, gleich direkt in Richtung Urlaubsdestination. Nicht so bei den Stöckls. Die fünfköpfige Familie ist vergangenes Jahr ganz ohne Pkw verreist. Stattdessen haben sie viele Stunden im Sattel und in (nicht immer klimatisierten) Bahnabteilen verbracht. Was es bedeutet, eine Öffi-Rad-Reise zu unternehmen und wie man geschickt plant, verraten sie im Gespräch. Und so viel vorweg: Obligatorische Eisstopps gehören zur Erfolgsformel!
Von Tirol an den Gardasee
Die Strecke von Torbole nach Rovereto ist Anton in Erinnerung geblieben: „Die Straße hatte gut 15 Prozent Steigung. Da habe ich mir schon kurz ein Auto gewünscht.“ Er lacht. Das sei aber auch der einzige Moment gewesen, sonst war es „volle cool“, befindet der Zehnjährige.
Und seine Schwester Greta auf die Frage, was nun das Coolste am ganzen Urlaub war: „Das Eis!“ Und: „Das pinke Prinzessinnenbett in der Unterkunft in Riva am Gardasee.“
Dass sie bis dahin gut 250 Kilometer aus eigenem Antrieb zurückgelegt haben, scheint für die Siebenjährige nebensächlich. Es sind die ganz normalen Urlaubserinnerungen, die überwiegen. Vermutlich lag es an der guten Vorbereitung, sodass alles „einfach leicht ging“, schwärmt Mama Anja Stöckl.
Letzten Sommer ist die fünfköpfige Familie von ihrem Wohnort im Tiroler Brixental mit den Mountainbikes nach Riva am Gardasee aufgebrochen. Zuganschluss am Beginn und Ende der Reise hatten die Eltern zwei Monate im Voraus gebucht. „Das raten wir auch wirklich allen, denn das Rad-Kontingent der Fernreisezüge ist stark eingeschränkt“, weiß Vater Stefan aus Erfahrung. „Da ist flott alles ausgebucht.“
Von Brixen im Thale ging es nach Wörgl und mit dem Railjet nach Landeck, wo der Bike-Shuttle die Stöckls aufgabelte und bis zum Reschenpass brachte. „Die sind super organisiert, man zahlt kaum mehr als für ein normales Öffi-Ticket und wird bis zum Pass gefahren“, so Stefan.
Von dort aus begann das wahre Abenteuer. Fünf Radetappen hatten Anja und Stefan bis zum Urlaubsziel in Riva am Gardasee geplant, mit Unterkunft und stärkendem Frühstück am Weg. „Wir wussten natürlich nicht, wie gut es mit Greta geht und ob sie die ganze Strecke durchhalten wird. Deshalb sind wir immer in Reichweite der Zugstrecke geblieben“, erklärt Anja.
Auch für eventuelle Radgebrechen waren sie gerüstet. „Alle fünf Bikes waren vorher im Service. Neben dem Reparaturkit hatten wir auch Schläuche in allen Dimensionen dabei“, berichtet Stefan. Und bis auf eine kleinere Panne, die schnell behoben werden konnte, lief dann auch alles wie geschmiert. Über Schlanders, Meran, Auer und Trient bis nach Riva. „Wir haben jeden Tag gut 50 Kilometer gemacht und uns den restlichen Tag die Orte angeschaut bzw. sind ins Schwimmbad gegangen. Man sieht ja unglaublich viel am Weg und die Strecke können wir wärmstens empfehlen. Der Radelweg zum Gardasee ist ein Traum“, sagt Anja.
Wie eine Autobahn (nur eben für Räder) führt der Weg meist leicht abwärts in Richtung Gardasee: breit genug für Familien und gut asphaltiert fürs Fahrgefühl. Schweres Gepäck? Fehlanzeige! „Wer mit dem Rad reist, reist leicht“, sagt Stefan. Wobei „leicht“ relativ sei, denn er hatte den voll bepackten Gepäckanhänger mit rund 35 Kilogramm im Schlepptau, damit die Kids ballastfrei treten konnten. „Der Hänger empfiehlt sich im Gegensatz zu Satteltaschen, weil man keinen Gepäckträger braucht. Das ist bei Mountainbikes schon praktisch.“
„Du packst ganz anders“, ergänzt Mama Anja. „Viele Klamotten mussten zu Hause bleiben. Dafür hatten wir Reisewaschmittel dabei und haben regelmäßig gewaschen.“ Und es sei dann schließlich auch kein Beinbruch, die Sportklamotten auch abends im Urlaub zu tragen.
Neben dem Radelreparaturkit dürfe natürlich auch das Erste Hilfe-Paket nicht fehlen und ausreichend Eisgeld, lacht Anja. „Wir haben jeden Tag Eispausen eingelegt, zur Stärkung und Motivation. Das ist das Schöne am Radeln: Du hast zwar ein Tagesziel im Auge, kannst aber Halt machen, wo es dir gefällt. Vormittags hatten wir meist eine Jause dabei und haben im Grünen gepicknickt.“
So viel muss man dazu sagen: Das Glück war den Stöckls hold, als der einzige Regenguss der Reise am freien Tag in Meran einsetzte. „Da
haben wir dann einfach Pause gemacht und uns in Ruhe die Stadt angeschaut.“
Und der fünftägige Urlaub am Gardasee? „Schön erholsam“- wie Urlaub eben sein muss. Nur, dass die Stöckls ausnahmsweise maximal flexibel waren. „Du hast ja im Auto normalerweise keinen Platz für fünf Räder. Wenn man aber mit dem Fahrrad anreist, ist man lokal weitaus mobiler. Man ist in fünf Minuten in der Altstadt – ohne das lästige Parkplatzproblem“, so Stefan.
Für Greta waren andere Dinge wichtiger: „Cool hab ich auch gefunden, dass wir unten unsere Freunde getroffen haben!“
Anton: „Und Gretas Lehrerin!“
Greta: „Ja, die auch.“
Anton: „Ich fand den Reptilienzoo in Riva super!“
Nach einem gelungenen Urlaub ging es auf der letzten Radetappe von Riva nach Rovereto. „Das war dann schon spannend“, erinnert sich Stefan, „als der Eurocity nach Wörgl ankam und wir uns zu fünft mit fünf Rädern auf drei Türen ohne Wagenstandanzeiger aufteilen mussten, um in den Zug zu kommen“.
Anja: „Mit drei Kindern bei 30 Grad!“
Stefan: „Die Regionalzüge sind super, aber bei den Fernreisezügen ist es schon mit Strapazen verbunden. Die haben oft Treppeneinstiege und es braucht die Unterstützung von Mitreisenden. Man muss halt entspannt bleiben.“
Theresa Girardi ist Mitarbeiterin in der Abteilung Raumplanung und Naturschutz des Österreichischen Alpenvereins.
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