Ein richtig ungemütlicher Frühwintertag ist heute. Während der letzten Tage hat es geregnet, jetzt ist es feucht, nebelig, hat knapp unter null Grad, kein Lüftchen regt sich. Der perfekte Tag zum zu Hause bleiben, lesen, Kekserl backen…Oder doch nicht? Heute ist der perfekte Tag, um sich auf die Suche nach einer ganz besonderen Kostbarkeit zu machen. Lasst uns in den Wald gehen! Wenn wir Glück haben, leuchtet es im dunstigen Dämmerlicht da und dort weiß am Waldboden.
Schnee kann‘s nicht sein, es hat ja nur geregnet…ein weißer Pilz vielleicht? Nachschauen lohnt sich! Was wir finden, sieht aus wie glänzend weiße Seidenfäden, wie feine Wolle, wie Engelshaar! Nein, kein Weihnachtsengerl hat hier Haare gelassen, wir haben Haareis gefunden! Sieht es nicht toll aus?
Haareis ist eine sehr seltene Erscheinung. Es entsteht nur bei Wetter wie heute: feucht, kalt, windstill. Dann können aus Totholz von Laubbäumen diese wunderschönen Eishaare wachsen.
Schon vor 100 Jahren hat der berühmte Polarforscher Alfred Wegener dieses Phänomen beschrieben. Auch für ihn war es eine rätselhafte Seltenheit. Er hat vermutet, dass das Ganze mit einem Pilz zu tun hat – mit Pilzfäden, die im Totholz leben. Das haben Naturforscher und Naturforscherinnen jetzt bewiesen.
Nur auf „Totholz“, in dem bestimmte Pilze als zartes Fadengeflecht – Myzel – leben, kann Haareis „wachsen“.
Tötet man die Pilze ab, wird auf dem Holzstück nur noch eine dünne, glatte Eisschicht entstehen. Der Pilz ist also für die Form des gefrorenen Wassers auf der Holzoberfläche verantwortlich – wie, das ist noch immer ein Geheimnis. Haareis entsteht da, wo die Rinde schon gelockert oder ganz abgelöst ist an den Holzporen, den Mündungsstellen der von innen nach außen verlaufenden Holzstrahlen. Ist an der Oberfläche das erste Eis gefroren, steigt aus dem feuchten Holz immer weiter Wasser auf und gefriert dort. Das Eishaar – weniger als einen Millimeter dünn – wird länger und länger, bis zu 20 Zentimeter, kann sich locken und wellen, zu Engelshaar werden.
Auch wenn wir es (noch) nicht genau wissen, ich finde es schön, dass aus dem „Totholz“ eine lebendige Pilz-Botschaft zu uns gelangt, noch dazu eine so selten schöne! (es gibt eben nichts Lebendigeres als Totholz!)
Biologin, Beauftragte für Kinder und Familien, Mutter und Großmutter und am liebsten draußen unterwegs.
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