Ein Rezept der Alpenvereinsjugend Wattens
Please return to your seats and fasten your seatbelts! Diese oder ähnliche Ansagen werden wohl die wenigsten von uns in nächster Zeit hören. Allerdings darf ich euch heute als zweifacher Familienvater, Routenbauer und Kursleiter auf die Reise durch unsere Alpenverein Sektion Wattens, genauer gesagt unser Jugendteam begleiten.
Unser Jugendteam, angeführt von Kapitän Walter Krämer, welcher auch als unser Vereinsobmann für jeden Streich zu motivieren ist, erfreut sich trotz Pandemie und Verordnungen über Zuwachs. Bereits vor Corona & Co haben sich bei uns Familien mit ähnlichen Interessen getroffen und Abenteuer wie Bouldern am Fels gemeinsam erlebt.
Familiengruppe 2.0 – Auf in die Zukunft!
Für gewöhnlich präsentiert das Jahresprogramm jene unserer Gruppen akribisch und mit Herz geplante Aktivitäten, wie unser alljährliches Feuerbrennen oder unser legendäres ZaUn Boulderfestl. Unsere Gruppenleiter*innen zögern dabei nicht, ihre kostbare Zeit zu reservieren, um gemeinsam mit Freund*innen die Leidenschaft für die Berge zu teilen und diese an unsere Kids und Jugendlichen weiterzugeben. Wie aber können wir kurzfristig, häufiger und ohne langfristige Terminplanung aktiv gemeinsam etwas erleben? Dies war eine jener Fragen, die uns innerhalb unseres Vereines immer wieder beschäftigte.
Warum also machen wir uns nicht jene Digitalisierung zunutze, welche unsere Kids bereits im Kleinkindalter beherrschen? Online-Messenger wie Whatsapp oder Signal, Online-Dienste zur Erstellung von Umfragen (Doodle) oder Online-Kartendienste wie Google Maps, um nur einige wenige zu erwähnen. Diese ermöglichen es uns, in wenigen Schritten und auch kurzfristig einen gemeinsamen Termin oder einen Ausflug zu planen.
Unser Ziel war und ist es, Familien mit gleichen Interessen zusammenzuführen, Ideen für gemeinsame Unternehmungen zu sammeln und die Organisation innerhalb der Familien aufzuteilen und das alles ohne Zwang und Verpflichtungen. Hier kamen uns die intensiv herbeiersehnten Lockerungen im vergangenen Sommer zugute. Wir nutzten unsere technischen Möglichkeiten, um unseren Familienflieger wie einen Düsenjet zu beschleunigen. Seither planen und organisieren mehr als zehn Familien gemeinsame Aktivitäten.
Ein Rezept für die Praxis
Die Zutatenliste ist kurz und die Zubereitung ebenso einfach:
- 1 x eine Handvoll motivierter Eltern mit ähnlichen Interessen
- 1 x ein persönliches oder digitales Brainstorming via Zoom oder Skype, um das gegenseitige Interesse kennenzulernen
- 1 x eine Aufteilung, wer, wann bzw. was planen oder organisieren möchte
- 1 x möglichst wenig Verbindlichkeit
Sprich, hat eine Familie eine zweitägige Bergwanderung vor und kann sich vorstellen, auch andere mitzunehmen, so darf diese Unternehmung gerne mit anderen Familien geteilt werden. Und schon haben wir ein neues generationenübergreifendes Bergabenteuer.
Wer es dann noch schafft, unsere Kids interaktiv und vielleicht digital miteinzubinden, z.B. „Emma, du bist bei dieser Wanderung unsere PR-Fotografin“ oder „Hey Alexander, kannst du danach einen Artikel in unserem Jahresheft schreiben?“, darf sich gekonnt als Haubenkoch unserer Familiengruppen bezeichnen.
Sommerfeste und Bachwanderungen planen – leicht wie ein Becherkuchen
Mit diesem Rezept planten auch wir unser erstes kleines und ohne große Vorlaufzeit in Anspruch nehmendes Familienevent. Hannes, unser Schatzmeister in Person und zweifacher Papa, erklärte sich – nichts zögernd – bereit, das erste Sommerfest zu arrangieren.
Mit wenigen „Klicks“ am Smartphone wurde ein Termin fixiert, alle Helfer*innen eingeteilt und Familien eingeladen. Einer perfekten „Jeder-bringt-was-mit-Party“ stand also nichts mehr im Wege. Wie so oft sind spontane Feste die legendärsten, so auch unser Familienfest im fabrikneuen AV-Haus. Unsere Kleinsten vergnügten sich mit waghalsigen Sprüngen ins Planschbecken, unsere Jugendlichen verwandelten die Bouldermatten im Außenbereich einschließlich des Wasserschlauchs in ein Rutschenparadies. Wir Stammesältesten kümmerten uns um alles andere wie Verpflegung & Co.
Dieser erste spontane Versuch lehrte uns, dass leckere Rezepte oftmals nicht kompliziert sein müssen. Das nächste Abenteuer im Spätsommer, eine Familienbachwanderung ins märchenhafte Voldertal, mit furchtlosen Sprüngen in den eisig kalten Gebirgsbach, bestätigten das Interesse unserer Familien und unseren eingeschlagenen, hoffentlich noch langen gemeinsamen Weg.
Zurück in die Zukunft
Wer kann sich nicht an Marty McFly, den silbernen DeLorean und das Herzstück der Zeitreisemaschine, den Fluxkompensator, erinnern? Unsere Kinder bzw. Teenager wohl eher nicht. Ist aber auch nicht so wichtig. Gedanklich um wenige Monate zurückgereist, hätten wir uns nicht gedacht, dass es so einfach ist, motivierte Eltern zu finden, welche interessiert genug sind, eine schöne Zeit mit Gleichgesinnten zu verbringen und wie unkompliziert es war, mit Hilfe unserer technischen Hilfsmittel mehr zu erreichen, als man ursprünglich dachte, erreichen zu können. Ein Faktor, der bei der Planung unserer gemeinsamen Aktivitäten dann immer wieder eine Rolle spielt, ist schlussendlich die Z E I T.
Zeit ist also das, was man an der Uhr abliest? Galileo Galilei erforschte schon die Zeit und fand hierfür einen pragmatischen wie physikalischen Ansatz. In der Philosophie beschreibt Zeit die vom menschlichen Bewusstsein wahrgenommene Form der Veränderungen. Auch unser Jugendteam beschäftigt sich intensiv, wenn gleich nicht philosophisch, mit diesem Thema. Was machen wir also mit unserer Zeit?
Wir können schließlich die Uhr nicht zurückstellen und unsere freie Zeit wird voraussichtlich auch nicht mehr werden. Wir können den hundertsten Entschleunigungs-Ratgeber lesen oder einfach versuchen, zu verstehen, wie einfach es im Grunde ist, mit wenig Mitteln und Zeit doch Großartiges erleben zu können!
Ob Familiengruppe, Jugendteam, Hochtouren- oder Seniorengruppe – alle schaffen gemeinsam einen sicheren, der Natur nahen Raum, um gemeinsam in ihrer FreiZEIT etwas zu erleben. Eine wirkliche Bereicherung und Erfrischung für die Sektionsarbeit können aber auch neue Gruppen wie unsere Familiengruppe 2.0 bringen, welche mit möglichst wenig Aufwand versuchen, neue Wege miteinander zu gehen. Auf in die Zukunft!
Ein toller Artikel über die Chancen der digitalen Jugendarbeit ist übrigens bereits HIER erschienen.
Emanuel Soraperra ist Routenbauer und Kursleiter in der ÖAV Sektion Wattens und mit seinen zwei Kids gerne und viel draußen unterwegs!
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