Titelbild: Armin Ribis

Was für eine Frage! Sicher darf man das. Staubender Pulverschnee, Glücksgefühle hoch zehn, geteilt mit den besten Freund*innen. Wer denkt da an den Klimawandel? Laut Dani Tollinger, Leiterin des risk’n’fun-Freeride-Programms, immer mehr Jugendliche: „Wir bekommen die Rückmeldung, dass es für junge Menschen nicht mehr so easy ist wie früher, einfach so powdern zu gehen. Irgendwie schwingt da immer die Frage mit, ob es im Hinblick auf das Klima noch okay ist.“

Die Klimakrise stellt unser gewohntes Handeln in Frage. Das betrifft alle Lebensbereiche: Ist es in Ordnung, stundenlang Serien zu streamen, obwohl die Kühlung der Server mit einem hohen CO2-Ausstoß verbunden ist? Wie schlimm ist es, Avocados, Bananen oder Fleisch zu essen? Und darf man im Sinne der eigenen Horizonterweiterung ohne schlechtes Gewissen eine Fernreise unternehmen? Kein Wunder, dass sich junge Menschen, die den Klimawandel als ernsthafte Bedrohung wahrnehmen, auch fragen, ob ihr Winterhobby noch vertretbar ist. Ein Versuch, das Thema aufzudröseln und auch auf die Frage einzugehen, wie es denn der Alpenverein mit dem Skifahren hält.

Der Klimawandel auf der straight line

Die Klimaerwärmung verläuft im Alpenraum wie insgesamt in Europa schneller als im globalen Durchschnitt – quasi auf der straight line, um im Freeride-Jargon zu bleiben. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Temperatur hier bereits um mehr als zwei Grad Celsius gestiegen, global gesehen war es nur etwa halb so viel. Woran liegt das?

Hauptsächlich daran, dass sich Landmassen schneller erhitzen als Ozeane und teilweise auch an der tendenziell kürzeren Schneebedeckung. Helle Oberflächen, wie z.B. ein schneebedeckter Gletscher, reflektieren einen Großteil der Sonnenstrahlung, während dunkle Oberflächen, wie z.B. Steine, Wärme absorbieren. Dieses Rückstrahlungsvermögen wird als Albedo bezeichnet.

Weniger Schnee, mehr Regen

„Die Abnahme des Schneeanteils am Gesamtniederschlag ist deutlich messbar und trifft Österreich als Wintersportland besonders hart“, hält die GeoSphere Austria auf ihrer Website fest. Vor allem unterhalb von rund 2000 Metern wird H2O immer seltener in seiner gefrorenen Form als fluffiger, sechseckiger Kristall zu Boden kommen, sondern als plumper Wassertropfen.

Mit Kanonen gegen den Schneemangel

Über 70 Prozent der österreichischen Pisten werden beschneit, Tendenz steigend. Die Beschneiung ist mit hohen Kosten und einem hohen Wasser- und Energieverbrauch verbunden. Ein Hektar Piste braucht 20.000 kWh Strom (das ist der Jahresverbrauch eines Fünf-Personen-Haushalts) und bis zu 3.000 Kubikmeter Wasser. Insgesamt wird für die Beschneiung so viel Wasser verwendet, wie die Millionenstadt München in einem Jahr benötigt. Die Kosten für die Schneeproduktion steigen – und damit auch die Preise für Skitickets. (Quelle: marmotamaps.com)

Weniger Gletscher, mehr Baustellen

Nicht nur tiefer gelegene Skigebiete, auch hoch gelegene Gletscherskigebiete haben mit Problemen zu kämpfen. Durch den Gletscherrückgang verändert sich das Gelände stark. Wo vor wenigen Jahren noch ebene Gletscherflächen waren, sind heute steile Felswände – nur mit enormen Eingriffen in die Natur können diese Flächen wieder in Pisten umgewandelt werden. Wer schon einmal im Sommer in einem Gletscherskigebiet unterwegs war, weiß: Das sind hochalpine Dauerbaustellen.

Im Kaunertal sind zwei neue Bahnen geplant (orange Linien): eine Gondelbahn mit Bergstation am Weißseeköpfl und ein Schlepplift am Gepatschferner. Karte: ÖAV-Geoinformation auf Basis der Projektdaten

Die Beschneiung, die Baustellentätigkeit, die unzähligen Fahrten der Pistenraupen – all das hat einen beträchtlichen Klima-Impact. Doch wo lässt sich beim Skiurlaub am meisten CO2 einsparen?

 

Böse Anreise, gutes Skifahren?

Das Umweltbundesamt hat für verschiedene Urlaubsarten eine Treibhausgasbilanz erstellt. Wenig überraschend schneidet dabei der Skiurlaub in Österreich besser ab als die Flugreise nach Spanien. Interessant ist jedoch, dass die größte Stellschraube für den CO2-Ausstoß beim Skiurlaub nicht das Skifahren an sich ist, sondern die Wahl der Unterkunft eine doppelt so große und die Wahl des Verkehrsmittels für die Anreise eine dreimal so große Rolle spielen. Dass diese Erkenntnisse von den Skigebieten für Werbezwecke genutzt werden, ist wiederum wenig überraschend. Dass dies nicht ohne Selbstkritik kommuniziert wird, schon:

Die Wahl des Verkehrsmittels hat den größten Einfluss darauf, wie klimafreundlich der Skiurlaub ausfällt. Foto: Simon Schöpf/ÖAV

„Je besser die Schneelage ist, desto klimafreundlicher ist der Skiurlaub. Denn bei genügend Naturschnee können Skigebiete auf den Einsatz von Beschneiungsanlagen verzichten. Idealerweise legst  Du den Urlaub also in eine Zeit, in der das gewählte Skigebiet schneesicher ist. […] Und vielleicht muss es auch nicht jeden Tag alpines Skifahren sein. Sparsamer sind nämlich Sportarten, die keine oder wenig technische Unterstützung benötigen: Tourengehen, Langlaufen, Schneeschuhwandern u. Ä.“, heißt es auf der Website des Kaunertaler Gletschers. Das ist eines jener Skigebiete, die derzeit wegen umstrittener Ausbauprojekte immer wieder in den Medien sind.

Der skifahrende Alpenverein

Der Alpenverein ist kein Gegner der Skigebiete, sehr wohl aber von aus der Zeit gefallenen Erweiterungsvorhaben. Skifahren, insbesondere das Skitourengehen, gehört zu den Kernsportarten des Vereins. Viele Mitglieder haben nicht nur den ersten Pflugbogen, sondern auch die ersten Tiefschneeschwünge in Skigebieten gezogen. Auch so mancher AV-Freeride- oder Lawinenkurs findet in Skigebieten statt.

Doch trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs, den die Skigebiete vielen Tälern gebracht haben, dürfen auch die Begleiterscheinungen, wie etwa die zunehmende Verkehrsbelastung oder die hohen Preise, nicht übersehen werden. Vor allem stellt sich die Frage (frei nach Tobias Moretti):

Wann ist genug genug?

In Tirol gibt es über 90 Skigebiete, rund 900 Liftanlagen und über 3000 Pistenkilometer – eine Strecke von Innsbruck bis nach Grönland. Nach einem fast ungezügelten Wildwuchs bis in die 80er Jahre hat auch die Politik erkannt, dass es strengere Regeln braucht. Die Landesregierung hat daraufhin ein sogenanntes Neuerschließungsverbot ausgesprochen. Dieses Verbot wurde aber auf Druck der Seilbahnlobby im Laufe der Jahre wieder aufgeweicht – was früher als Neuerschließung verboten war, ist nun als Erweiterung wieder möglich. Ähnlich absurd ist die Situation beim Gletscherschutz. Laut Tiroler Naturschutzgesetz ist eine Erschließung der Gletscher verboten, in einem eigenen Raumordnungsprogramm werden aber Ausnahmen von diesem Verbot festgelegt. Diesen Ausnahmeregelungen ist es geschuldet, dass immer wieder Bauprojekte auftauchen, die für heftige Diskussionen sorgen.

So zum Beispiel die geplante Erschließung des Gepatschferners im Kaunertal, bei der auf der größten naturbelassenen Gletscherfläche der Ostalpen neue Bahnen und Lifte errichtet werden sollen. Oder die von der Pitztaler Gletscherbahn angestrebte Verbauung des Linken Fernerkogels mit offen gehaltener Option auf eine Verbindung ins Ötztaler Gletscherskigebiet. Gegen diese Projekte regt sich heftiger Widerstand. Und auch die gescheiterten Ausbaupläne Kappl-St. Anton, Hochoetz-Kühtai oder Neustift-Schlick zeigen, dass die Bevölkerung sensibel auf solche geplanten Eingriffe in die Natur reagiert.

Abbildungen 3 und 4: Das beeindruckende Plateau des Gepatschferners – gemeinsam mit dem Kesselwandferner die größte zusammenhängende Eisfläche der Ostalpen. Auf diesem noch völlig naturbelassenen Gletscher sind neue Seilbahnen und Pisten geplant. Foto: Franz Güntner/DAV
Abbildung 5: Snowfarming im Pitztal. Der Schnee wird in Depots gesammelt, mit Vlies vor Sonneneinstrahlung geschützt und zu Saisonbeginn wieder verteilt.

Naturschutz vs. Klimaschutz?

Doch was hat dieses Thema mit dem Klimawandel zu tun? Klimakrise und Biodiversitätskrise sind zwei Seiten einer Medaille. Intakte Naturräume spielen eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Klimakrise, deshalb müssen Natur- und Klimaschutz gemeinsam gedacht werden. So gesehen ist es auch für den Klimaschutz sinnvoll, sich gegen überschießende Skigebietserweiterungen einzusetzen. Aber ist es nicht scheinheilig, Skigebiete zu kritisieren und gleichzeitig selbst leidenschaftlich gern Ski zu fahren?

Wir brauchen gute Turns!

Dürfen wir nur Probleme ansprechen, wenn wir selbst unfehlbar sind? „Nein“, meint z.B. Martin Svejkovsky von ProtectOurWinters, der sich in einem lesenswerten Artikel unter dem Titel „Klimaschützer oder Umweltzerstörer“ mit dieser Frage auseinandergesetzt hat. Sein Fazit: Unser neoliberales Wirtschaftssystem beeinflusst auch unser Denken in der Klimafrage. Es wird uns eingetrichtert, dass individuelle Verhaltensänderungen das Klima schützen sollen, obwohl die großen Hebel nur auf politischer Ebene umgelegt werden können.

Da ist sicher etwas dran, soll uns aber nicht von unserer Verantwortung freisprechen. Es ist meine Entscheidung, ob ich schon im Herbst auf harten Kunstschneepisten rumrutsche oder doch lieber noch eine Biketour unternehme. Es ist meine Entscheidung, ob ich das Birkhuhn-Schutzgebiet ernst nehme oder darauf pfeife und einfach durchfahre. Oder ob ich den Jungwald respektiere. Es ist meine Entscheidung, ob ich mich für einen Tagestrip zwei Stunden one-way ins Auto setze oder mit dem Skibus ins nahe gelegene Skigebiet fahre – auch wenn das etwas kleiner ist. Es ist meine Entscheidung, ob ich mich jedes Jahr neu einkleide oder auf Worn-Wear-Repair setze. So wie es auch meine Entscheidung ist, gedankenlos in der Gegend rumzufliegen oder alle paar Jahre eine längere Fernreise zu unternehmen.

Bei so mancher Entscheidung braucht es wohl einen Turn. Mit Ski oder einem Snowboard unter den Füßen ist ein Turn aber vor allem ein Gefühl. Dieser Moment, wenn die Gesetze der Schwerkraft förmlich aufgehoben sind und man von einer Kurve in die nächste fliegt – unvergleichlich! Darauf zu verzichten oder dabei permanent ein schlechtes Gewissen zu haben, wäre schade. Unbezahlbar sind nicht nur diese Momente, sondern umgerechnet wohl auch der Benefit des Skifahrens für die persönliche Gesundheit und auf diese Weise auch für das Gesundheitssystem. Ride on!

Foto: Armin Ribis
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Benjamin Stern arbeitet in der Abteilung Raumplanung und Naturschutz und ist als Berg- und Skiführer aktiv.

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