NACHHALTIGKEIT IN DER JUGENDARBEIT

In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wird schnell klar, wieso nachhaltiges Handeln wichtig ist. Schließlich ist es ihre Zukunft, um die es geht. Als Funktionär*innen eines alpinen Vereins können wir unmittelbar erlebbar machen, was Nachhaltigkeit bedeutet. Durch unsere Gruppenaktivitäten in der Natur bedarf es keiner Szenarien oder konstruierten Spiele. Der Klimawandel ist durch die besonders deutlichen Auswirkungen in den Alpen gut sicht- und thematisierbar. Ökologische Aspekte des Bergsports können aufgezeigt, ein respektvolles Miteinander gelebt und unser Verhalten kann offen hinterfragt werden.

Als Jugend- und Umweltorganisation dürfen wir uns doppelt aufgefordert fühlen, uns mit viel Einsatz für Klima- und Generationengerechtigkeit einzusetzen und gleichzeitig Naturräume zu schützen. Wir sollten also unser Möglichstes tun, um Nachhaltigkeit in all unseren Angeboten und Strukturen weiter zu verankern. Die gute Nachricht: Nachhaltige Jugendarbeit macht viel Freude und bedeutet nicht automatisch Verzicht. Es liegt kein Widerspruch darin, nachhaltiges Handeln ernst zu nehmen und gleichzeitig mit Spaß in unsere Aktivitäten einzubinden.

DIE ALPENVEREINSJUGEND ALS MOTIVATIONSSCHMIEDE

Welche bedrohlichen globalen Auswirkungen unser Verhalten hat (Erderhitzung – Klimakrise – Artensterben), lesen, sehen und hören wir Tag für Tag. Unser (Ge)Wissen allein führt jedoch nicht zu klimafreundlichem Verhalten. Was uns motiviert, sind Gefühle von Hoffnung und Einfluss. Positive Emotionen, Vorbilder und ein Gemeinsinn haben Einfluss auf unser Handeln.1 Im Kern geht es um eine Haltung, um Wertschätzung und Respekt gegenüber Mensch und Natur. Nur wenn wir die Bedürfnisse der Natur fühlen, erlebbar machen und diese erkennen, können wir die ökologischen Probleme lösen. Das klingt doch nach der Alpenvereinsjugend!

Positive Gefühle & Geschichten, Vorbildwirkung und Gruppen, die zusammen etwas bewirken können – das können wir! Also lasst uns unsere gute Basis nutzen, um gemeinsam nachhaltig zu handeln. Auf geht’s! In unseren Alpenvereins – Ausbildungen lernen wir, Tage draußen nachhaltig zu gestalten, indem wir Naturverständnis fördern, unser Verhalten reflektieren, Entscheidungen bewusst treffen, Vielfalt schätzen, Diskriminierung verhindern, Risiken bewerten, Gruppen beg-leiten, Verantwortung und Mitbestimmung ermöglichen und all diese Themen praxisnah vermitteln. Diese Kompetenzen sind in meinen Augen eine hervorragende Grundlage für eine zukunftsfähige Gestaltung und Entwicklung unserer Jugendarbeit.

Zur Einordnung ins Vereinsleben ist das „Positionspapier Nachhaltigkeit“ hilfreich. Auch die JDAV hat 2019 eine umfangreiche Position dazu verfasst. Darüber hinaus tragen alle weiteren Positionspapiere der beiden alpinen Jugendorganisationen zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Ihr findet diese auf den Websites.

SPOTLIGHTS SETZEN

Die Komplexität von nachhaltiger Entwicklung kann überfordern. Drei Säulen (ökologische, soziale, ökonomische Nachhaltigkeit), 17 Ziele (SDGs), die sich darauf stützen, unzählige Handlungsfelder und viele Perspektiven, aus denen man auf das Thema schauen kann. Das Bedürfnis nach einfachen „Rezepten“, an die wir uns halten können, ist groß. Nachhaltigkeit ist ständig präsent und doch schwer zu fassen, daher lohnt es sich, den Begriff mit eurer Gruppe zu definieren. Ich bin sicher, dass jede*r Antworten hat, die nur auf ein Sprachrohr warten.

Was versteht ihr unter Nachhaltigkeit? Welche Aspekte sind euch wichtig? In welchem Bereich wollt ihr nachhaltig( er) handeln?

Nachdem ihr euer Ergebnis festgehalten habt, könnt ihr – je nach Interesse eurer Youngsters – den Fokus auf einen Bereich aus dem Vereinsalltag lenken und damit Komplexität rausnehmen. Führt gemeinsam einen Dialog über mögliche Handlungsfelder und setzt das „Spotlight“ auf einen Bereich, in dem ihr persönlich wirksam sein könnt und wollt – etwa Konsum, Ernährung, Müllvermeidung, Verhalten in der (Berg-)Natur, Inklusion, Ressourcenschonung oder Mobilität, die ihr beispielsweise durch Mikroabenteuer vor eurer Haustüre beleuchten könnt. So könnt ihr eure Aktivitäten aus einer konkreten Perspektive betrachten. Die folgenden Anregungen sollen als Inspiration für eure Sektionsarbeit dienen. Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

SPOTLIGHT KONSUM: ALTBEWÄHRTES SCHÄTZEN

Macht euch gemeinsam auf die Suche nach Möglichkeiten, um euer Konsumverhalten der Pyramide anzunähern. Als Start könnt ihr eure Gruppe einladen, verschiedene Outdoor- / Bergsport – Gegenstände vorzustellen:

• Ältester Gegenstand, den ihr noch benutzt
• Etwas, das ihr nicht mehr benutzt, weil es kaputt ist
• Neuester Gegenstand
• Etwas, wovon ihr mehr habt als ihr braucht

Illustration:
Laura Niemeyer/trendshock.de

Die Gegenstände dienen als Basis für Geschichten und beleuchten Motive: Warum wurden diese gekauft? Braucht ihr sie wirklich? Wo und wie wurden sie produziert? Was könntet ihr borgen, tauschen, gebraucht kaufen, reparieren oder upcyceln? Welchen Wert hat Ausrüstung, mit der ihr bereits unzählige Abenteuer erlebt habt? Wie kann
sie gut gepflegt und möglichst lange genutzt werden? Überlegt, wo es Luft nach oben gibt: Vielleicht wollt ihr eine Tauschbörse gründen, Verleihmöglichkeiten ausbauen oder ein Repair Café organisieren. Upcycling – Projekte wie Teppiche aus alten Seilen, Garderoben aus Skiern oder Taschen aus Fahnen machen Spaß und verhelfen eurer aussortierten Ausrüstung zu einem zweiten Leben. Manchmal kommt man an einer Neuanschaffung nicht vorbei. Dann gilt: Bevor ihr etwas Neues kauft, führt einen Nachhaltigkeits- bzw. Siegelcheck durch.

SPOTLIGHT NATURERFAHRUNG & VERHALTEN IN DER (BERG-)NATUR: WIR ALS TEIL DER NATUR

„Wenn wir Naturerlebnisse ermöglichen, schaffen wir darüber ein natürliches Bedürfnis, diese Natur zu erhalten. Dieses Wecken einer eigenen Motivation sollte immer der Beginn und das Zentrum unserer Bemühung sein, dann kommt der Rest von selbst“, so Sarah Kästner, freiberuflich im JDAV – Bundeslehrteam und Dipl.-Biologin.

  • Macht euch gemeinsam bei der Planung darüber schlau, welchen Lebensraum ihr betreten wollt, ob es Schon- und Schutzgebiete gibt und wie ihr euch naturverträglich und umweltbewusst verhalten könnt, um Lebensräume zu schützen.
  • Teilnehmende können sich allein und aufmerksam mit einem Fähnchen auf den Weg machen, um Interessantes zu markieren und anschließend in einem Rundgang zu zeigen. Mehr dazu im frei downloadbaren Büchlein „Biodiversität erlebbar machen“, das in Kooperation mit der Alpenvereinsjugend entstand.
  • Plant nach dem Motto „Handeln, nicht nur reden!“ eine Umweltbaustelle oder fangt klein an, indem ihr ein Insektenhotel baut.

SPOTLIGHT INKLUSION: VIELFALT ALS STÄRKE

Ermöglichen wir allen interessierten Personen die Teilhabe an unseren vielfältigen Angeboten.Inklusion AlpenvereinsjugendSchreibt eure Aktivitäten möglichst offen aus, so,  dass sich alle Menschen — mit oder ohne Beeinträchtigung, unterschiedlicher Herkunft und Länder, verschiedener Religionen und Anschauungen,

  • geschlechtlicher und sexueller Vielfalt, jeglichen Alters oder anderer Eigenschaften — angesprochen und eingeladen fühlen.
  • Setzt euch aktiv mit den Bedürfnissen und möglichen Unsicherheiten aller Beteiligten (Funktionäre, Teilnehmende, Angehörige usw.) auseinander. Beachtet dabei den zentralen Grundsatz der UN – Behindertenrechtskonvention: „Nichts über uns ohne uns!“.
  • Zeigt, was in unserer bunten Alpenvereinsjugend möglich ist, sodass Berührungsängste und Barrieren schwinden oder erst gar nicht entstehen.

SPOTLIGHT ERNÄHRUNG: GIPFELJAUSE

„Wir brauchen nicht einige Menschen, die alles richtig machen, sondern alle Menschen, die einiges richtig machen.“ An unsere Ernährung können wir viele Bedingungen knüpfen: biologisch, pflanzlich, saisonal und regional, fairtrade, unverpackt, ohne (umwelt-)schädliche Inhaltsstoffe, gesund, ressourcenschonend und mit bedacht aufs Tierwohl. Wie lassen sich all diese Punkte vereinen? Plant einen nachhaltigen Proviant bei eurer nächsten Aktivität bewusst mit ein.

  • Fragt nach pflanzlichen und biologischen Gerichten und macht euch als Selbstversorger*innen vor dem Einkauf Gedanken darüber, was ihr wo besorgen und kochen wollt. Besucht einen regionalen Bauernmarkt oder -hof, Unverpackt- oder Bioladen.
  • Setzt euch zum Ziel, verpackungsfrei auszukommen. Nehmt dafür beim Einkauf genügend Behälter mit und stellt Bienenwachstücher für unterwegs her.
  • Bereitet selbst etwas zu – entweder davor (z.B. Müsliriegel & Fruchtleder) oder unterwegs (z.B. Brennnesselchips & Steckerlbrot). Es ist besonders wichtig, die Fülle und Freude an nachhaltiger Ernährung zu entdecken, um dem Verzichtgedanken Konkurrenz zu machen.

SPOTLIGHT MÜLL: EINFÄLLE STATT ABFÄLLE

Auf die (mit Handschuhen & Sackerl ausgestatteten) Plätze – fertig – los! Ganz nach dem Motto „Einfälle statt Abfälle“ des Alpenverein Südtirol können Müllsammelaktionen auch spielerisch gestaltet werden und sensibilisieren. Beteiligt euch an lokalen und globalen Aktionen, z.B. beim World Cleanup Day und sprecht darüber:

  • Wie lange braucht eine Banane oder Plastikflasche, um zu verrotten? – Sortiert nach Verrottungsdauer.
  • Wer schafft es, mehr Müll einzusammeln, als mitzubringen? – Ordnet nach der Tonne.
  • „Müllart“ statt Landart? – Sucht etwas…Rundes … Buntes … und gestaltet eine Galerie.

SPOTLIGHT RESSOURCENSCHUTZ: „NUR SO VIEL NUTZEN, WIE IN EINER GENERATION NACHWÄCHST…“

Wie viel Wasser, Strom, Wärme, Rohstoffe…brauchen wir und wo könnten wir etwas einsparen oder zurückgeben?NaturAn einem Bergtag macht uns weniger Komfort nichts aus. Versucht den Mehrwert in den Sektionsalltag zu übertragen.

  • Macht euch auf die Suche nach ressourcenschonenden Möglichkeiten: Solar – Laterne statt Spotlight?
  • Pflanzt gemeinsam Bäume, unterstützt Aufforstungsprojekte und wägt ab, ob Druckwerke notwendig sind.

NACHHALTIGE GESTALTUNG ALS SELBSTVERSTÄNDNIS

Das Senken der eigenen Ansprüche auf ein „menschliches Maß“ (Suffizienz) sind wir als Bergsportler*innen gewohnt. Eine Beschränkung aufs Wesentliche und Wichtige könnt ihr euch als Gruppe bewusst zum Ziel setzen. Wenn ihr nach und nach eure Spotlights gesetzt habt, ist es an der Zeit, wieder alle Teile zusammenzufügen. Ihr werdet sehen, dass sich diese gut in eure Aktivitäten einfügen, sodass die nachhaltige Gestaltung eurer Angebote zum Selbstverständnis wird. „Nachhaltigkeit darf (…) nicht als ein (inhaltliches) Thema neben anderen verstanden werden, sondern als Bestandteil des Handelns der Akteure selbst.“ Verhaltensalternativen ohne Zwang kennenzulernen und selbst zu erleben, ist essenziell, um sich in Zukunft dafür (oder dagegen) entscheiden zu können.

Durch echte Beteiligung an Entscheidungsprozessen und aktive Mitgestaltung und Selbststeuerung bekommen eure Aktionen eine Bedeutung für jede*n Teilnehmende*n. Achtet darauf, Gruppenprozesse selbst nachhaltig und partizipativ zu gestalten und an den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen zu orientieren. Nur so kann nachhaltige Jugendarbeit gelingen.

Schaffen wir eine gemeinsame Zukunftsvision, die unser Engagement weiter vorantreibt. „Große Umbrüche sind  nur möglich, wenn Menschen sich die neuen Zukünfte und Wege dorthin vorstellen können.“ Daher lade ich euch ein, uns gemeinsam zu fragen: „In was für einer Welt möchten wir leben?“

Literaturverzeichnis:
Mäder, A. (2017). Emotionen in der Klimakommunikation: Hoffnung motiviert stärker als Angst, klimafakten.de: bit.ly/3yCNDj3. 2050 Media Projekt gGmbH.
Bauer, J. (2021). Wie steht es um die Beziehung zwischen Menschheit und Natur?“. DREI D Magazin – Denkraum für die Jugendarbeit Alpenverein (02 / 2021). 6 – 9: bit.ly/3x9x64G.
Positionen der Alpenvereinsjugend Österreich: bit.ly/3uSgsop, Positionen der JDAV: bit.ly/3vXF9RR
Fahrland, S. (2020). Klimaschutz fängt auf dem Teller an: Das CO2-Sparbuch für eine klimafreundliche
Ernährung (1. Aufl.). Komplett Media GmbH.
Umweltdachverband GmbH (2019). Biodiversität erlebbar machen (2. Aufl.): bit.ly/3xdM8q7
Jugend des Deutschen Alpenvereins (2008). Zum Thema: Nachhaltiges Handeln in der Jugendgruppenarbeit.
Messner, D. (2010). Wie die Menschheit die Klimakrise meistern kann – ein optimistisches Essay. 2010. Medien- und Kommunikationszentrum Berlin: bit.ly/3v2j5E7

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Johanna Grassegger ist Bildungsreferentin für Nachhaltigkeit und Klimaschutz in der Jugendbildungsstätte Hindelang der JDAV (Jugend des Deutschen Alpenvereins), Inklusionsbeauftragte der österreichischen Alpenvereinsjugend, Psychologin und Erlebnispädagogin.

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