Mit diesem Statement unterstreichen wir unser langjähriges Anliegen. Nicht die Vermeidung von Risiken, sondern der bewusste Umgang damit ist das Ziel. Wir haben uns auf Spurensuche begeben und bieten euch eine Auswahl spannender Gedanken der letzten Jahrzehnte.

Tage draußen! Film – 2020

„Risiko ist die Verbindung von Ungewissheit und Bedeutsamkeit, die mit einem Ereignis einhergeht und zur bewussten Auseinandersetzung mit ihm und seinen Folgen auffordert. Im Gegensatz dazu meint Gefahr Bedrohung von Leib und Leben. Wo Kinder das Leben wagen, also ins Risiko gehen, passiert Entwicklung. Vor Gefahr gehören sie beschützt.“

Tage draußen AlpenvereinsjugendWie riskant ist Sicherheit? – Jürgen Einwanger – DREI D Special Familienarbeit – 2013

„Der Mensch ist ein explorativ und eigenkonstruktiv lernendes Wesen. Ein Beispiel dafür, das gut verstanden und breit akzeptiert wird, ist das „Gehen-Lernen“. Spontan und ohne zu zögern wird bestätigt, dass Gehen unter anderem über dem Stürzen, also den Misserfolg erlernt wird.“

Freizeit mit gesunden Risiken – Matthias Pramstaller – DREI D 02/2019

„Inwiefern selbstbestimmtes und risikoreiches Spiel für die gesunde Entwicklung von Kindern wichtig ist, zeigen uns verschiedene Studien aus Hirnforschung, Medizin und Psychologie. Kinder lernen dabei, eigene Gefühle zu regulieren und stressreiche Situationen zu bewältigen. Selbstmotivation, Konzentration und selektive Aufmerksamkeit sind von den Möglichkeiten, selbstbestimmte Erfahrungen bei offenem Ausgang zu machen, beeinflusst.

Auch der Blick in die Zukunft ist aus Sicht der Forschung lohnenswert: Kindliche Überbehütung hängt mit zunehmender Häufigkeit von Depressionen, Angststörungen und geringer Lebenszufriedenheit im jungen Erwachsenenalter zusammen oder hat als sozialer Risikofaktor Einfluss auf unspezifische Krankheitssymptome im Jugendalter. Zusammenhänge, die uns aus menschlicher, gesellschaftlicher und volkswirtschaftlicher Sicht nachdenklich stimmen sollten.“

Selbstverantwortung im Kindesalter – Robin Menges– Tage draußen! Zeitung 2020

„Aus meiner Erfahrung gelingt die Risikoabschätzung umso genauer, je erfahrener das Kind im Umgang mit seinem eigenen Körper und seinen Fähigkeiten ist. Das hängt von den Möglichkeiten ab, die ein Kind bekommt, sich in Grenzsituationen auszuprobieren. Wenn ein Kind in seiner Entwicklung die Möglichkeit hat, selbst nächste Entwicklungsschritte ohne Fremdsteuerung auszuprobieren, dann folgt auch seine Bewegungsentwicklung dem inneren „Plan“.

Alpenvereinsjugend Junge AlpinistenVerantwortung ermöglichen – von der Bewahrungs- zur Bewährungspädagogik – Jürgen Einwanger – 2018

„Wie im Großen, so braucht es auch für jede Alltagshandlung den Mut, explorativ zu sein – und Kinder haben diesen von Natur aus. Sie wollen sich entwickeln, dabei begleitet, anerkannt und geachtet werden. Zunehmend problematisch allerdings, dass, wie Eager und Little unter dem Titel „Risk deficit disorder“ ausführen, diese Entwicklungsfähigkeit teils gar nicht mehr gelernt wird. Vor allem, weil Eltern und Pädagog*innen nicht mehr bereit oder fähig sind, ihre eigenen Komfortzonen als Entwicklungsbegleiter*innen zu verlassen – ihre Ängste stehen dem Drang von Kindern, sich auszuprobieren, im Weg.“

Risiko in Spiel und Freizeit – Wozu eigentlich? -Matthias Pramstaller – DREI D 2019

„Kinder lernen durch Herausforderungen, die auch schief gehen können, ihre Fähigkeiten und Grenzen kennen. Sie erfahren, dass sie selbst schwierige Situationen meistern können und erleben die Konsequenzen ihres Handelns. Diese Erfahrungen lassen Selbstwirksamkeit erfahren und sind für das Selbstständigwerden wichtig. Es bilden sich Strategien, um unsichere und herausfordernde Situationen auch in Zukunft zu bewältigen.“

DREI D Risiko Special – Risiko & Extremsport – Christian Wadsack – 2003

Mit Risikoverhalten können Jugendliche:

  • Ihre Umwelt erkunden, Unsicherheit in Sicherheit verwandeln
  • Eigene Grenzen erfahren und hinausschieben
  • Persönliche und soziale Identitäten bilden, auch den Eltern klar machen, dass sie keine

behütbaren kleinen Kinder mehr sind

  • Selbstwert und Status in der Peergroup gewinnen
  • Auf Überforderung oder Langeweile wirksam reagieren

Risflecting-Konzept – Gerald Koller – 2012

„Kick und Flow, Rausch und Risiko: Das Außeralltägliche zu suchen, ist Teil unseres Alltags geworden. So sollten wir uns auch von einer – lange Zeit unhinterfragten, aber populären – Grundannahme verabschieden: Menschen suchen nicht nur deshalb Risiken oder greifen zu Drogen, weil sie damit psychischen und sozialen Problemen kurzzeitig entfliehen wollen oder Selbstheilung anstreben, sondern – weil die Rauscherfahrung Genuss, Entspannung, community und fun verspricht!“

Tage draußen Franz WalterGesundheitsförderung im Jugendalter: Risikowelten ernst nehmen! –Matthias Pramstaller – 2011

„Jugendliche Lebenswelten sind Szenewelten; Codes wie Sprache, Musik, Style gelten als typisierende Beschreibungsmerkmale. Eine lebensweltnahe gesundheitsfördernde Arbeit hat diese aufzunehmen und jugendliche Zugänge zu Gesundheitsthemen zu integrieren. Szenesportarten bieten hierfür interessante Bewegungs- und Bildungsorte, Schlüsselthemen der Gesundheitsförderung können thematisiert werden. Die These meiner Überlegungen lautet: durch Risiken zu Gesundheit.“

Wie viel Risikoappetit ist gesund? Andi Dick – Bergundsteigen 04-2014

„Akzeptanz für „gesundes“ Risiko – Jede Situation im Bergsport hat mehr oder weniger viele und große Gefahren, aus denen wir durch unseren Umgang mit ihnen ein (hoffentlich kalkuliertes) Risiko machen. Die Werte und Persönlichkeitskräfte, die uns dabei helfen, können wir auch im Leben nutzen, das bekanntlich auch lebensgefährlich ist. Ein/e gute(r) Bergsteiger*in ist nicht automatisch ein/e erfolgreiche(r) Börsenspekulant*in oder eine empathische Führungskraft – spezifische Fachkompetenz muss man immer lernen. Bergsteiger*innen sind auch nicht zwingend bessere Menschen. Aber es sind oft starke Menschen – und manchmal glücklichere.“

Risiko? Risiko! – Tage draußen! Zeitung – Gerhard Mössmer – 2020

„Ohne Risiko gibt es keinen Gewinn, kein Weiterkommen, keine neue Chance. Wie oft fälschlicherweise angenommen, ist weder im Breiten- noch im Spitzensport das Risiko die Motivation des Tuns. Die wahre Motivation entsteht vielmehr durch den Gewinn, der einen  erwartet, und die sich daraus ergebenden neuen Chancen.“

Pro Risiko –Lisi Steurer – Bergundseigen 03-2021

„Darum möchte ich auch heute als Mutter einer kleinen Tochter eine Lanze für den Alpinismus brechen, das Risiko am Berg – trotz möglicher Tragödien – nicht zu unserem Feindbild zu machen. Ich möchte mich für eine Risikokultur am Berg aussprechen, in der die nächste Generation von erfahrenen Bergsteiger*innen lernt, wie sie mit den Gefahren umgehen müssen und diese einschätzen lernen. Auch wenn die Einschätzung nicht immer 100 Prozent richtig sein wird.“

Junge Alpinisten AlpenvereinsjugendRisiko-Manifest des Alpenvereins

  1. Risiko gehört untrennbar zum Leben.
  2. Individuelle Risiko-Verantwortung ist ein unverzichtbarer Wert.
  3. Naturraum ist ursprünglicher Chancen- und Gefahrenraum.
  4. Natursport bedingt Eigenverantwortung und Risiko-Kompetenz, eine Sicherheitsgarantie ist nicht möglich.
  1. Vermittler*innen von Risiko-Kompetenz müssen die spezifische Struktur von Risiko- Situationen verstehen, die Grenzen ihrer Beherrschbarkeit anerkennen und ein wirksames Programm zum Kompetenz-Erwerb anbieten.

Risiko und Wagnis – Positionspapier der Alpenvereinsjugend – Luis Töchterle – 2011

„Die Pädagogik reagiert oft sehr lebensfremd und Defizit-fixiert auf Risikohandlungen, vielfach wird mit Abschreckung und Sanktionsdrohungen eine Risiko-Minimierung angestrebt. Wir wollen Jugendlichen ihr Risikoverhalten weder austreiben noch ausreden, wir anerkennen Risikoverhalten als unverzichtbar und entwicklungsnotwendig. Das pädagogische Ziel muss die Risiko-Optimierung sein. Pädagogik darf sich nicht darauf zurückziehen, junge Menschen vor den Fährnissen des Lebens zu bewahren, sie muss beitragen, dass sie sich bewähren können, also Bewähr- statt Bewahr-Pädagogik! Es geht um die Vermittlung von Risiko-Kompetenz.“

 

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David Kupsa ist pädagogischer Mitarbeiter in der Alpenvereinsjugend und für die inhaltliche Betreuung der Bildungsprogramme verantwortlich.

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