Mit Jugendlichen im vergletscherten Hochgebirge
Frühes Aufstehen, schweres Gepäck, lange Hatscher und unglaublich viele Entbehrungen. Und das alles in der Freizeit? Freiwillig? Never ever!?
Das sind oftmals die negativen Charakteristika, die Hochtouren so an sich haben. Hinzu kommt noch ein beträchtlicher Aufwand an Material und Geld für Anreise, manchmal Seilbahn und Hüttenübernachtungen. Und dann ist man noch lange nicht vor Ort.
Also alles Voraussetzungen, die das Bergsteigen in vergletscherten Regionen auf den ersten Blick weder für Erwachsene noch für Jugendliche im Speziellen attraktiv machen. Immerhin stehen dem gegenüber nicht alltägliche und garantiert unvergessliche Gipfelerlebnisse, Sonnenaufgänge in einer atemberaubenden Bergszenerie sowie eindrückliche Kletterstellen. Diese Herausforderungen machen die Königsdisziplin des Bergsports interessant und spannend, machen das Hochtourengehen zu etwas ganz Besonderen. Letztendlich ist es aber das Miteinander-Erleben, das Aufeinander-Schauen und das Verantwortung-füreinander-Übernehmen, das es ausmacht, gemeinsam in die Berge zu gehen und Gipfel zu besteigen. Diese zwischenmenschlichen Reize bieten unglaubliche Chancen für die positive Entwicklung Jugendlicher einerseits und deren Begleiterinnen und Begleiter andererseits. Zudem ist Bergsteigen, auch bei der Jugend angekommen und besetzt ein klasse Image: Hochtouren rocken!
Freilich schaut die Realität auf den hohen Gipfeln der Alpen aufgrund der eingangs erwähnten Eigenheiten des Hochtourengehens noch etwas anders aus. Jugendliche Bergsteiger*innen sind die Ausnahme und das Durchschnittsalter der bergsteigenden Spezies liegt immer noch zwischen 40 (das ist für Jugendliche richtig alt, Alter) und Scheintod, aber – ähnlich wie beim Skitourengehen – ist ein Trend zu beobachten: Die Probanden werden stetig jünger, die Ausrüstungsgegenstände bunter, die GoPro-Videos mehr.
Damit aber nicht nur mehr Jugendliche mit dem Bergsport beginnen, sondern auch dabei bleiben und diesen mit Leidenschaft – hoffentlich bis an ihr Lebensende – weiter betreiben, gibt es einige Empfehlungen zu beachten, die sich im Grunde nicht wesentlich von jenen für Erwachsene unterscheiden.
Voraussetzungen für Hochtouren
Die wohl wichtigste Voraussetzung für Hochtouren sind Motivation und Fitness. Hat man zu wenig von beiden, macht es keinen Spaß und die Quälerei übersteigt das verträgliche Maß. Zwar ist Bergsteigen immer mit Anstrengung verbunden – was auch okay ist, sofern die Motivation passt – aber werden die Strapazen zu groß, verlieren gerade Jugendliche schnell die Freude an der Sache und stellen sich die Sinn-Frage: Wozu das Ganze?
Jugendliche müssen, nicht anders als Erwachsene auch, ein gewisses Maß an Grundkondition mitbringen. Diese wird am besten spielerisch mit Fußball, Hockey, Radfahren, Tennis, Schwimmen, etc… regelmäßig(!) trainiert. Da beim Bergsteigen noch zusätzliche Belastungen auf den Körper zukommen, wie ein relativ schwerer Rucksack, klobige Schuhe sowie die Komponente der ungewohnten Höhe und der intensiven Sonnenstrahlung, ist es wirklich wichtig, dass die Kondi passt.
Neben der Ausdauer braucht‘s auch koordinative Fähigkeiten für eine entsprechende Geh- und Klettertechnik, die Jungs und Mädels perfekt mit Sportklettern, Bouldern oder Turnen trainieren können. Zwar ist die Koordination beim Hochtourengehen nicht die wichtigste Komponente, aber in Anbetracht von anspruchsvolleren Touren durchaus notwendig. Ebenso brauchen sie entsprechende psychische Voraussetzungen: Frühes Aufstehen, Kälte, lange Anstiege und ausgesetzte Kletterstellen dürfen sie nicht gleich aus der Ruhe bringen. Entscheidend ist, dass die Jugendlichen wissen, warum sie Bergsteigen wollen, dass sie hinter ihrer Entscheidung stehen und es nicht ihren Eltern oder Freunden zuliebe tun.
Equipment
Hochtourengehen ist ein sehr ausrüstungsintensiver Sport. Es versteht sich von selbst, dass wir als Eltern nicht sofort in eine komplette Hochtourenausrüstung für unsere Sprösslinge investieren. Aber in der Regel beginnt man nicht von heute auf morgen mit den Kindern in die Berge zu gehen. So ist vermutlich vieles der Bekleidung, die für Hochtouren notwendig ist, und die sich nicht im Wesentlichen von jener vom Wandern und Skifahren unterscheidet, bereits vorhanden. Gurt und Helm hat man eventuell schon vom Sportklettern, Steigeisen und Pickel kann man leihen. Wichtig ist, dass sich die Jugendlichen in dem, was sie anhaben, wohl fühlen, und dass die Bekleidung entsprechend der Tätigkeit funktional ist. Eine wesentliche Rolle spielt das Gewicht der Ausrüstung und des Rucksacks: Leicht, leicht und nochmals leicht muss er sein! Hier können wir die Jugendlichen gut unterstützen, indem wir gemeinsame Ausrüstung wie Seil, Erste Hilfe-Paket und Biwaksack sowie den Großteil der Verpflegung übernehmen. Apropos Rucksack: In einen guten und leichten Hochtourenrucksack zu investieren macht Sinn, denn dieser wird sie – im Gegensatz zur Bekleidung – über sehr viele Jahre begleiten und gute Dienste erweisen. Ein zu schwerer Rucksack, der noch dazu nicht passt, kann alles vermiesen.
Bleiben nur noch die Schuhe als wahrer Schlüsselfaktor. Wird hier gespart, geht die Tour in die Hose. Der Schuh muss nicht nur leicht und bequem sein und gut auf den Fuß, sondern auch zur geplanten Tour passen. Achtung: „Overequipped“ ist genauso übel wie „underequipped“.
Tourenplanung und Tourenziel: Leider geil!
Gerhard Mössmer ist Berg- und Skiführer, Mitarbeiter in der Abteilung Bergsport und zuständig für Lehrschriften und Lehrteam.
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