Leider geil! Das ist das Ziel einer jeden Tour, doch „leider“ gilt es dabei auch zu beachten, dass „das Können des Wollens Maß ist. Dieser Spruch ist wohl nirgendwo zutreffender als beim Bergsteigen. Ist man überfordert, kann‘s sehr schnell riskant – um nicht zu sagen lebensbedrohlich – werden. Ist man unterfordert, wird’s zwar nicht gefährlich, aber die Tour langweilig. Zum Bergsteigen gehört ein gewisses, gesundes Maß an Risiko dazu – frei nach dem Motto: „risk‘n‘fun“. Deshalb müssen wir gerade am Beginn der Hochtourenkarriere unserer Sprösslinge die Tour genau planen.
Zum ersten Mal auf Hochtour
Kein leichtes Unterfangen, darf diese doch nicht zu kurz und nicht zu lang, nicht zu leicht und nicht zu schwierig sein. Oft gehen konditionelle und technische Überforderungen einher und sind das Produkt einer schlechten Planung. Dann ist die Hochtourenkarriere der Jugendlichen oft schon zu Ende, bevor sie so richtig begonnen hat. Des Weiteren vergessen wir gerne, dass wir die Tour in erster Linie für die Jungs und Mädels unternehmen und wir sie dabei begleiten und nicht umgekehrt. Auch sehen wir uns gerne in der Rolle des Erziehers anstatt in jener des Bergleiters. Die Jugendlichen sollen durchaus auch Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen dürfen. Wenn wir sie ständig vor Entscheidungen und schwierigen Situationen bewahren, werden sie auch nicht die Möglichkeit haben, sich zu bewähren.
Für die ersten Hochtouren mit Jugendlichen ist es wichtig, dass die Verhältnisse optimal sind und die neuen, landschaftlichen und sozialen Erlebnisse im Vordergrund stehen und nicht die Schwierigkeit der Tour. Was aber noch lange nicht heißt, dass die Tour deshalb langweilig sein muss. Außerdem sollten wir bei der Planung eine relativ attraktive „Exit-Strategie“ im Talon haben, bei der wir die Tour abbrechen oder ausweichen können, damit der Ausflug jedenfalls zum Erfolg wird.
Touren mit Bahnunterstützung, wie z.B. jene auf‘s Zuckerhütl, bieten sich hier sehr gut an: Man kommt ohne große Mühen in bis dato unbekannte Regionen und kann die Vorzüge der Hochtour in vollem Maße genießen. Außerdem vermeiden wir gleich zu Beginn die ungeliebten, langen und meist langweiligen Talhatscher. Und dass die Motivation, auf den höchsten Gipfel der Stubaier Alpen zu gehen, passt, ist eh klar. Ähnliches trifft übrigens auch für die Wildspitze zu, ihres Zeichens höchster Gipfel Tirols, zweithöchster Gipfel Österreichs und ein wahres Hochtouren-Highlight – nicht nur für Erwachsene!
Ebenso sind Touren mit Hüttenübernachtung – in zwei Etappen aufgeteilt – natürlich spannend und kurzweilig. Dabei ist die Gipfeletappe idealerweise recht kurz, da ja noch der anschließende Abstieg ins Tal zu bewältigen ist. Eine Variante ist die Tour auf die Zugspitze über das Höllental, die alles zu bieten hat, was das Hochtourenherz begehrt: ein Hüttenzustieg durch eine atemberaubende Schlucht, eine Übernachtung in einer schönen, neuen Hütte, ein landschaftlich grandioser Wanderweg, ein kleiner, leichter Gletscheranstieg und schließlich ein abwechslungsreicher, nicht allzu schwieriger Klettersteig, der auf dem höchsten Gipfel Deutschlands endet. Und der Abstieg? Bequem mit der Bahn. Nachteile? Auf Grund der Attraktivität dieser Tour sollte man sie antizyklisch in der Vor- oder Nachsaison begehen.
Zwei wesentliche Faktoren bei Hochtouren sind die ungewohnte Höhe und die intensive Sonneneinstrahlung. Bei den vorhin empfohlenen Touren verkürzt die Bahn zwar den Aufstieg, bringt aber auch leider mit sich, dass wir weniger Zeit haben, uns an die Höhe anzupassen. Deshalb macht es Sinn, im Vorfeld – bei Wandertouren oder beim Skifahren – herauszufinden, ob und wie die Jugendlichen die Höhe vertragen. Eine Akklimatisationstour kann diesbezüglich nie schaden. Da Jugendliche einen viel höheren Energiebedarf haben als Erwachsene, müssen wir darauf achten, dass wir genügend kurze Ess- und Trinkpausen einlegen, damit der Energiehaushalt passt. Zudem ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr in der Höhe sehr wichtig, um Kopfschmerzen vorzubeugen. Sonnencreme und Schildkappe schützen vor Strahlung.
Vor der Schlüsselstelle muss die Zeit für ein Break drinnen sein, um sich diese kurz anzusehen und die notwendige Sicherungstechnik und Taktik zu besprechen. Dabei sichern wir heikle Passagen besser zu früh als zu spät, aber das Gehen am Seil ist ohnedies spannender als ohne.
Um bei den Kids die Freude am Bergsteigen zu entfachen und diese auch zu bewahren, ist die Stimmung in der Gruppe extrem wichtig. Schlechtes Wetter und lange Anstiege sind so lang kein Problem, so lang die Stimmung passt. Förderlich sind hierzu einerseits eine laufende, positive Kommunikation und andererseits das Dabeisein guter Freunde, wo wir wieder beim gemeinsamen Erleben sind.
Apropos Freunde: Ist der Hochtouren-Start mit den Eltern geglückt, wollen und werden die Kids früher oder später hoffentlich selbstständig und eigenverantwortlich mit ihren Freunden unterwegs sein. Um neben den Inputs aus dem familiären Umfeld noch weiteres Rüstzeug für höhere Ziele zu erhalten, bieten sich Alpenvereins- Jungmannschaften, Ausbildungskurse des Alpenvereins – speziell für Jugendliche – sowie das „Youngsters – Junge Alpinisten-Projekt“ besonders gut an.
Nach der Tour ist vor der Tour
…gehört natürlich auch bei Jugendlichen eine g‘scheite Nachbesprechung der Tour her. Nur so entwickeln sie sich weiter, wird aus allfälligen Fehlern gelernt und bleibt die Tour letztendlich in unvergesslicher Erinnerung.
Gerhard Mössmer ist Berg- und Skiführer, Mitarbeiter in der Abteilung Bergsport und zuständig für Lehrschriften und Lehrteam.
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