Im Gespräch mit Elke Bernhard; Fotos: Anael Wirtl & Walther Böhm
Du engagierst dich seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Alpenvereinsjugend, bist selbst als Jugendleiterin und im Landesjugendteam Steiermark tätig und viel mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gemeinsam drinnen und draußen unterwegs. Wie erlebst und verstehst du Inklusion?
Inklusion bedeutet für mich, dass es ganz normal ist, dass in der Kletterhalle oder in unserer Gruppe auch Menschen mit Beeinträchtigung dabei sind und in der Gruppe als gleichwertige Mitglieder gesehen werden. Es geht nicht darum, so zu tun, als ob wir alle gleich wären… wir sind alle ganz unterschiedliche Individuen, aber jeder hat seine Stärken und Kenntnisse und kann diese in der Gruppe oder in einer Seilschaft, um beim Klettern zu bleiben, einbringen.
„Jeder Mensch braucht Spannung, Erlebnis und Abenteuer!“, ist ein Leitgedanke von INKlettern. Nach einer sehr erfolgreichen INKlettern-Tour 2019 mit über 500 Teilnehmer*innen in ganz Österreich war der erste INKlettern Termin am 12.11.2021 in Graz – nach über eineinhalb Jahren pandemiebedingter Pause ein echter Lichtblick, oder? Wie war die Stimmung?
Ich, nein, wir alle haben uns schon total auf den Termin in Graz gefreut. Pandemiebedingt haben wir uns in einem kleineren Rahmen getroffen und viel Spaß gehabt. Wir konnten uns dadurch sogar noch besser kennenlernen und tratschen. Nach einer gemeinsamen Aufwärmrunde konnte jede*r probieren, was er/sie wollte: Bouldern, Seilklettern, Hangeln, … Die Rückmeldungen waren großartig positiv, zum Beispiel von Matthias Grasser:
„Nach jedem Klettern bin ich zwar körperlich erledigt, jedoch verleiht es mir sehr viel Kraft für neue Herausforderungen. Ich würde mich freuen, mehr Kletterbegeisterte zu sehen bzw. traut euch und probiert was Neues aus„
Wie läuft ein Termin bei INKlettern ab?
Eigentlich ist alles ganz ungezwungen und ohne fixen Ablauf. Wir begrüßen beim Eintritt in die Kletterhalle und erklären, was wir vorhaben. Für Neulinge wird erklärt, was es in der Kletterhalle gibt, wie das Klettern funktioniert und dann wird ausprobiert. Wir klettern einfach miteinander. Manche Teilnehmer*innen ohne Unterstützung, manche mit Unterstützung von unserem Team oder anderen Teilnehmer*innen. Eigentlich ganz einfach, eigentlich ganz NORMAL!
Wir unterstützen uns gegenseitig in dem Maße, wie es gewünscht und gebraucht wird.
Kann bei INKlettern einfach jede*r mitmachen und vorbeikommen? Oder braucht es Vorkenntnisse?
Es kann definitiv jede*r, der/die interessiert ist, vorbeikommen. Auch wenn man anfangs nicht sicher ist, ob es passt – einfach vorbeikommen und zuschauen! Über Teilnehmer*innen mit Klettererfahrung freuen wir uns natürlich auch, da sie ein Miteinanderklettern ermöglichen.
Gibt es am Anfang Berührungsängste oder Zurückhaltung zwischen den Teilnehmer*innen?
Es gibt schon hin und wieder Teilnehmer*innen, die sich am Anfang nur umschauen oder sich nicht trauen, mitzumachen. Nachdem sie uns beobachtet haben, sind die meisten dann neugierig und machen einfach mit!
Welche Motivation nimmst du für INKlettern und dich ganz persönlich als Elke von so einer Veranstaltung mit?
Die vielen positiven Rückmeldungen und Erzählungen der Teilnehmer*innen motivieren mich wahnsinnig für meine weitere Arbeit im Alpenverein und auch für die Arbeit, die sonst nur vorm Computer stattfindet. INKlettern ist eine sehr willkommene Ablenkung zur Computerarbeit.
Wie geht es mit der INKlettern-Tour 2022 weiter? Sind weitere Tourstopps geplant?
2022 geht’s erst richtig los, wir planen fast jeden Monat einen Termin! Im Jänner gibt es (wenn erlaubt) einen Termin in Kärnten und wir planen weitere Termine in Salzburg und Graz. Wien, Niederösterreich, Innsbruck oder Umgebung stehen ebenfalls auf unserer Liste… Genaueres folgt leider erst. Die aktuellen Termine findet ihr immer auf www.alpenvereinsjugend.at
Können Jugendteams in ihrer Sektion auch einen INKlettern-Termin veranstalten? Wenn ja, wie läuft das ab?
Wir freuen uns besonders, wenn engagierte Sektionen auf uns zukommen und eine Veranstaltung in ihrer Kletterhalle machen wollen.
Einfach ein kurzes Mail an mich elke.bernhard@jugend.alpenverein.at schreiben! Ich organisiere dann die Veranstaltung gemeinsam mit einer/einem Ansprechpartner*in der Sektion. Die Umsetzung einer INKlettern-Veranstaltung ist meist gar nicht so kompliziert wie man denkt!
Abschließend habe ich noch eine Frage an dich als Jugendleiterin. Hast du Tipps für andere Jugendleiter*innen, wie man Angebote & Kurse in der Sektion inklusiver gestalten kann oder für den Inklusionsgedanken an sich sensibilisieren kann?
Ausbildung: Wenn man dafür offen ist, das Sektionsangebot inklusiver zu machen und sich nur nicht traut, weil man nicht weiß, worauf man achten muss und was auf einen zukommen kann, empfehle ich unbedingt eine der Ausbildungen der Alpenverein Akademie im Bereich Inklusion (z. B. Freizeit Inklusiv). Das erweitert den eigenen Horizont, bringt viele neue Ideen, man kann sich vernetzen und austauschen und man lernt sehr viel.
Gruppen und Aktivitäten: Wenn es darum geht, Gruppen und Aktivitäten zu organisieren, ist mein Tipp: Probiert es einfach, fangt ganz klein an, zum Beispiel mit einem Spaziergang statt einer Tageswanderung, mit Waldspielen an einem Halbtag statt einem Abenteuerwochenende. Ein ungezwungenes Schnupperklettern, ein Lagerfeuer und Steckerlbrot für Kinder und Familien. Es gibt so viele Möglichkeiten!
Vernetzung und Teilnehmer*innen: Wendet euch an lokale Vereine und Institutionen oder an Schulen, um Teilnehmer*innen einzuladen. Ladet Bekannte und Freund*innen mit Beeinträchtigung ein. Solche Angebote verbreiten sich via Mundpropaganda am besten, da die Hürde, an einer vielleicht unbekannten Aktivität (wie z. B. Klettern) mit unbekannten Menschen teilzunehmen, natürlich höher ist.
Bewusstseinsbildung: Der Alpenverein wird derzeit noch nicht überwiegend mit Inklusion und Barrierefreiheit in Verbindung gebracht. Oft finden sich durch einfaches Ausschreiben in den vereinsinternen Medien nicht viele Teilnehmer*innen. Es ist unsere Aufgabe, das zu ändern und unsere Initiativen in diesem Bereich bekannter zu machen. Wir haben schließlich ein Positionspapier in der Alpenvereinsjugend zu diesem Thema und das sollte weiterhin zum Leben erweckt werden.
Danke fürs Gespräch, Elke. Ich bin schon gespannt auf die nächsten INKlettern-Termine und was sich im kommenden Jahr im Bereich Inklusion weiterhin tun wird!
Elke Bernhard engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Alpenvereinsjugend und ist Jugendleiterin bei der Alpenvereinsjugend Graz. Seit Ende 2021 leitet sie das Projekt INKlettern, das sie 2018 gemeinsam mit Florian Kohlberger-Hack ins Leben gerufen hat.
Simone Hütter ist Mitarbeiterin in der Abteilung Jugend des Österreichischen Alpenvereins und für die Medien der Alpenvereinsjugend verantwortlich.
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