Wir haben es geschafft! 16 Mitglieder des Teams ROL IT haben eineinhalb Jahre auf diesen Moment hingefiebert: eine neuntägige Alpenüberquerung auf Mountainbikes und Handbikes!
Unsere Route führte uns in neun Septembertagen von Scharnitz in Tirol zum Gardasee. Dabei überwanden wir 10.000 Höhenmeter, strampelten 500 km, durchquerten schneebedeckte Pässe und tiefe Täler,
teilten einzigartige Momente und waren froh, am Ende heil angekommen zu sein. Das Projekt umfasste nicht nur die Alpenüberquerung. Wir starteten schon im Frühling 2018 mit den Vorbereitungen. Dabei haben wir uns als Team zusammengefunden, gemeinsam trainiert und so insgesamt 30 Tage, verteilt auf sechs „Steps“, als Gruppe verbracht. Unser großes Ziel: Inklusion (er)leben.
Das Team bestand aus 13 Teilnehmer*innen und drei Leiter*innen mit und ohne Handicap. Als „Handicap“ galten beispielsweise Lernschwierigkeiten und Gehbeeinträchtigungen. So konnte man die eigene Muskelkraft durch ein E-Mountainbike unterstützen lassen und jene Teilnehmer*innen mit Gehbeeinträchtigung griffen auf ein motorisiertes Handbike zurück. Das ist ein Fahrzeug mit drei Rädern, das allein mit den Armen angetrieben wird. Teilnehmer*innen ohne Behinderung wurden liebevoll „Fußgänger“ genannt.
Wir, vier Jugendleiter*innen aus verschiedenen Sektionen, waren als Teilnehmer*innen mit dabei. Viele Fragen haben uns in den letzten zwei Jahren erreicht.
Ein paar wollen wir im Folgenden für euch beantworten und Euch einen Einblick in das zweijährige Abenteuer geben:
Ihr seid doch Jugendleiter*innen. Warum wart ihr dann als Teilnehmer*innen und nicht als Betreuer*innen dabei?
Genau das war das Ziel dieses Projekts – zu erleben, Teil einer inklusiven Gruppe zu sein, in der alle gleichgestellt und auf Augenhöhe miteinander leben.
Wir sind also ein Team, keiner soll als Helfende*r oder als Bedürftige*r eingestuft werden.
Wie hat eure Vorbereitung ausgesehen?
Für uns war Mountainbiken eine neue Sportart und wir haben richtig viel trainiert, um fit am Bike zu werden. In der gemeinsamen Vorbereitung lag der Fokus auf Teambuilding
und darauf, Strategien zu finden, schwierige Wegpassagen gemeinsam zu überwinden. Bei unserem Wintertreffen in Tirol durften wir sogar Mono-Skifahren ausprobieren.
Durch diesen Perspektivenwechsel wurde sichtbar, wie wichtig es ist, die Lebenswelt anderer Menschen kennenzulernen, um sich einfühlen und andere verstehen zu können.
Einige vom Team waren mit Handbikes unterwegs. Durftet ihr das auch ausprobieren?
Ja, in der Vorbereitung. Für uns war es auf Asphalt schon schwierig damit zu fahren. Damit über Berge zu kurbeln, braucht sehr viel Training und Kraft, obwohl Handbikes eine
E-Unterstützung haben. Handbikes dienen oft als Sportgerät für Personen, die ihre Beine nicht vollständig einsetzen können, also meistens im Rollstuhl sitzen.
Die Handbiker*innen in unserem Team sind komplett oder inkomplett querschnittgelähmt.
Die Tourenplanung war bestimmt eine große Herausforderung, wie seid ihr herangegangen?
Die Teilnehmer*innen haben die Detailplanung der einzelnen Etappen selbstständig übernommen und einige sind sie im Vorfeld abgefahren, um die Strecke auf Handbike-Tauglichkeit
zu überprüfen. Wichtig ist, dass der Weg mindestens einen Meter breit und nicht seitlich geneigt ist, damit das Handbike nicht kippt. Einige Passagen konnten diese Kriterien nicht erfüllen, waren sehr steinig, holprig und zerfurcht. Dann mussten nicht nur Mountainbiker*innen ihre Bikes schieben, sondern auch Handbiker*innen geschoben werden. Die Etappen wurden einheitlich im Portal „alpenverein aktiv“ geplant und mit den GPX-Tracks durchgeführt. Auch die Unterkunftssuche stellte eine Challenge dar – Barrierefreiheit ist leider immer noch in wenigen Gebäuden gegeben.
Womit habt ihr auf der Tour überhaupt nicht gerechnet?
Die ersten beiden Tage sind wir im Regen gefahren – wir waren nass, aber frohen Mutes. Doch am dritten Tag mussten wir uns am Geiseljoch einer Schneefront stellen. Der Kälteeinbruch gemeinsam mit der ohnehin schon durchnässten Regenkleidung stellte für alle eine körperliche und mentale Herausforderung dar. Nachdem wir wieder „aufgetaut“ waren, gab es für den nächsten Tag noch eine weitere Entscheidung zu treffen: Wie schaffen wir die nächste Etappe über’s verschneite Tuxer Joch? Handbikes haben nämlich eine sehr geringe Sitzhöhe und im Schnee wenig Grip, weshalb sie nicht im Tiefschnee fahren können.
Die Gruppe zu trennen, schien zu Beginn der Diskussion nicht denkbar, weil wir doch die Transalp „gemeinsam“ radeln wollten. Schließlich haben wir erkannt, dass sich ein Team nicht dadurch auszeichnet, alles „gemeinsam“ zu machen, sondern dadurch, dass die Teammitglieder zusammenhalten, auch wenn sie einmal getrennte Wege gehen. Für ein paar Biker*innen bot sich somit am darauffolgenden Tag die Möglichkeit, mal was ganz Neues auszuprobieren: mit dem Mountainbike bei 30 Zentimeter Neuschnee „powdern“ zu gehen!
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