Ich schaue aus meinem kleinen Fenster, rund 10 Kilometer unter mir zieht die kahle amerikanische Pampa vorbei. Meine Beine sind wegen des Sitzes vor mir wie ein Papierflugzeug zusammengefaltet – schon seit ca. 9 Stunden. Dann höre ich plötzlich den Piloten durch die Lautsprecher: „Good afternoon, Ladies and Gentlemen, we will shortly arrive at San Francisco international Airport, please prepare for landing”, und damit startet unser Abenteuer.
Unser Abenteuer? Genau: Zwei Monate USA, gemeinsam mit meiner Freundin Magdi. Es ist eine Reise, von der wir schon lange träumen.
Unser (doch etwas grobe) Plan: in die Staaten fliegen, dort ein Auto kaufen, soviel wie möglich klettern und wieder nach Hause fliegen – hoffentlich mit vielen neuen Erfahrungen und lässigen Kletter-Metern im Gepäck. Genau das war beim Hinflug mit 22,8kg (maximal erlaubt waren 23kg) schon etwas voll war, trotzdem müssen wir uns Helm und 5 Jacken anziehen. um mitfliegen zu dürfen.
Angekommen im sonnigen Kalifornien kümmern wir uns die ersten Tage um ein Auto. Unsere Anforderungen schauen in etwa so aus: klein/kompakt (aber groß genug, um drin zu schlafen), Klimaanlage, vier Reifen und im Idealfall ein Lenkrad. Wenige Tage nach der Landung sitzen wir in einem Jeep Grand Cherokee V8 limited Edition und der Name ist Programm. Wir müssen praktisch eine Tankstelle im Kofferraum mitführen, um den Spritverbrauch zu decken, aber Augen zu und durch. Zumindest war er recht billig mit seinen 250.000 km am Tacho.
Unser erster Stopp führt uns direkt in das Mekka des Kletterns: Yosemite! So viel habe ich schon davon gehört und gesehen. Als wir dann endlich ankommen, sehe ich dann leider doch nicht so viel, die umliegenden teils schweren Waldbrände hüllen das ganze Valley in dicken Rauch. Wir bleiben vier Tage im berühmten Camp 4 und versuchen unsere noch etwas dürftige Jam-Technik zu verbessern und ein paar leichte Klassiker zu klettern. Wir merken schnell, dass wir in der falschen Jahreszeit hier sind, Temperaturen um die 40°C machen den eh schon schmierigen Yosemite-Granit nach 10 Uhr glatt wie Eis. Also fahren wir weiter Richtung Norden.
Unser nächstes Ziel ist Smith Rock – Oregon, quasi die Geburtsstätte des modernen Sportkletterns in den USA. Oranges Vulkangestein und fette Bolts erinnern ein bisschen an den Höttinger Steinbruch in Innsbruck, nur sind die Wände hier dreimal so hoch und dreimal weniger abgeschmiert.
Nach 7 Tagen geht es weiter Richtung Index – Washington. Index lässt sich in ein paar Worten beschreiben: 150 Einwohner, am Arsch der Welt und hart bewertet. Index ist… speziell und gibt uns erst einmal eine gscheide „Watschen“. Die Kletter-Community vermischt sich hier mit Obdachlosen und Junkies, es gibt nicht wirklich Infrastruktur und die Bewertung beim Klettern ist teilweise lächerlich hart, trotzdem hat es hier ein gewisses Flair und wir tauchen mit der Zeit in einen richtigen Dirtbag-Lifestyle ein. Die Routen und der Fels sind genial und wir bleiben eine ganze Woche dort.
Nach einem kurzen Abstecher nach Seattle setzen wir dann unsere Reise nach Kanada fort und erreichen wenige Tage später Squamish. Bekannt durch den berühmten Chief oder Touren wie „Cobra Crack“ und „Dreamcatcher“, sollte Squamish jedem Kletternden ein Begriff sein. Auch wir folgen dem guten Ruf in das Land, in dem Ahornsirup und das metrische System fließen und werden nicht enttäuscht. Die wahnsinnige Vielfallt und Qualität der Routen (und der Ahornsirup) überzeugt uns und wir bleiben zehn Tage lang hier. Ergo Squamish: ein bisschen wie Innsbruck, nur cooler.
Mit dem Verlassen von Squamish haben wir den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht und treten nun die lange Heimreise zurück nach San Francisco an. Jetzt wird sich so Mancher fragen, warum wir nicht einfach von Vancouver heimfliegen. Weils billiger war !
Unser nächster Zwischenstopp ist Washington Pass, der von so vielen Kletterern, die wir getroffen haben, als das best-erreichbarste Alpinklettergebiet propagiert wird. Quasi Sellapass Zustiege. Als wir dann am ersten Tag doch eineinhalb Stunden zusteigen, schmerzen unsere verweichlichten Sportkletter-Schenkel. Doch die Kletterei entlohnt die Schinderei, und wir können in drei Tagen alle Hauptgipfel der Liberty Bell Group klettern. Dann geht es aber weiter, bevor die Waden noch zu dick und der Bizeps zu klein werden.
Mit der nächsten Etappe verlangen wir unserem Auto einiges ab: Von Seattle zum Lake Tahoe sind es ca. 1200km. Unser Jeep quietscht und ächzt, als wir endlich nach 16 Stunden Autofahrt wieder in Kalifornien ankommen. Ein britischer Mechaniker bringt das Problem auf den Punkt: „sounds like you got a bird in there mate!“. Wir klettern 2 Tage in Lover‘s Leap und fahren weiter nach Tuolumne, um noch einmal das Yosemite bei guten Verhältnissen zu erleben. Dort angekommen regnet es dann an zwei von drei Tagen – Jackpot.
Doch wir sind zufrieden mit dem, was wir bis jetzt erlebt haben und schließen den Kletterteil der Reise ab. Ein „kurzer“ Abstecher nach Las Vegas durch das doch etwas schwüle Death Valley ist somit der letzte Abschnitt der Reise. Dass es das Auto überstanden hat, ist ein kleines Wunder, es kracht beim Lenken, die Elektrik spinnt, an heißen Tagen springt es nicht an und irgendwas im linken Reifen ist locker, somit sind wir heilfroh als wir nach ca. 2 Monaten endlich wieder San Francisco erreichen. Und mit dem mühsamen Rückflug nach Wien endet unsere Reise – cool wars.
Learnings:
– Auto besser anmelden, ist erstens illegal und zweitens nervig zum Weiterverkaufen
– Unwetter kann auch von der anderen Seite des Berges kommen, die man nicht sieht
– Man kann nie genug Cams haben
– Bären brechen auch in zugesperrte Autos ein, vor allem wenn man sein ganzes Essen drin hat (und nein, streicheln sollte man sie auch nicht, auch wenn sie ganz lieb ausschauen)
– Seillängen zusammenhängen macht keinen Spaß, wenn man keine verlängerbaren Exen mehr hat
– 5.9 Risse können richtig schwer sein (vor allem in Index)
– Nicht mit Republikanern über Politik diskutieren
– Kein Bier bestellen, wenn man unter 21 ist (finden die Amerikaner nicht so lustig
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