Meine Passion, meine Mission…
Mein Name ist Chiara Schmidt, beruflich bin ich Pianistin und in der Freizeit bin ich eine leidenschaftliche Bergsteigerin. Mein Traum: diese zwei Seiten von mir zu verbinden. Was diese zwei Dinge gemeinsam haben: eigentlich nichts.Doch ist für mich diese unsichtbare Verbindung greifbar und konkret, wie zwei Seiten derselben Medaille. Wenn ich auf der Bühne spiele, fühle ich mich genauso lebendig wie hoch in den Bergen an der Wand und wenn ich eine schwierige Kletterpassage nicht schaffe, übe ich sie genauso, wie ich meine Stücke am Klavier einstudiere. Der legendäre Bergsteiger Hans Dülfer, der ebenfalls Pianist war, wäre mit mir einverstanden: „Kletterstellen sind wie Etüden: Man muss sie üben und immer wieder üben, bis man sie auswendig kann“, soll er einmal gesagt haben. Ohne mich mit Hans Dülfer vergleichen zu wollen, hätte ich das nicht besser ausdrücken können. Ein weiteres Problem, das mich seit Jahren quält: Was nützt das alles eigentlich, was ich mache? Diese zwei Tätigkeiten, mit denen ich mein Leben befülle: Helfen sie jemandem? Oder sind es nur zwei besonders egoistische Zeitvertreibung? Bringen sie die Welt irgendwie weiter? Unsere Erde, die kurz vor einer der größten Krisen aller Zeiten steht…
Aus diesen zwei Bedürfnissen ist die Kernidee dieses Projekts entstanden: Meine zwei Leidenschaften benutzen, um so laut und stark wie möglich zu schreien, dass wir, mit unserer Erde, kurz vor dem Abgrund stehen.
Kurz vor dem Abgrund
Kurz vor dem Abgrund habe ich auch am 27.07 gespielt, genauer gesagt auf dem Gipfel von dem Niederen Dirndl (2829m), am Dachsteinmassiv, 300 Höhenmeter oberhalb des sterbenden Gletschers. Gespielt wurden u.a. drei zeitgenössische Klavierstücke des Komponisten Brian Field, die den Titel Three Passions for our Tortured Planet tragen. Brian hat vor zwei Jahren dieses Werk geschrieben und eine Bewegung von Pianist*innen aus der ganzen Welt gestartet, die durch ihr Spiel auf das Thema aufmerksam machen (https://passionsforourtorturedplanet.org/). Genau darauf hatte ich schon lange gewartet: Als er mich kontaktierte, habe ich sofort zugesagt. Was er damals noch nicht wusste: Dass ich seine Stücke auf einem Gipfel der Alpen spielen möchte, der so unerreichbar wie möglich sein soll.
Die Nacht vor unserem Konzert habe ich fast nicht schlafen können, obwohl das Bett der Seethalerhütte sehr bequem war. Die Hütte ist eigentlich sonst die Saison gesperrt und wurde vom AV Austria extra für uns aufgesperrt… ein Luxus, der uns das Leben deutlich leichter gemacht hat!!
Ich habe in der Nacht die ganze Zeit an alles gedacht, was potentiell schief gehen könnte. 15 Menschen alle auf demselben Gipfel… wir haben uns zwar mit dem Niederen Dirndl einen relativ breiten Gipfel ausgesucht, aber trotzdem… Beim Raufklettern können wir uns schön verteilen, sodass fast jede Seilschaft eine andere Route nimmt. Aber wir alle müssen dann dieselbe Abseilpiste nehmen. Und dürfen sicher damit rechnen, dass andere Bergsteiger*innen an dem Tag vielleicht auch am Dirndl unterwegs sind. Wir müssen uns und das ganze Material hochbringen, wir wollen oben ein Konzert geben, dann uns und das ganze Material wieder heil runter zum Gletscher bringen und das alles rechtzeitig für die letzte Seilbahn! Das schien mir so gut wie unmöglich zu sein. Es war mir aber klar, dass ich das alles nicht allein machen kann, dass ich mich auf meine Freunde verlassen muss und in ihnen Vertrauen haben soll.
Geplant war, dass alle Seilschaften spätestens um 9.30 am Gipfel sein sollten, damit das Konzert spätestens um 10 Uhr beginnen kann. Um 11.30 Uhr soll alles fertig sein und das Abseilen kann beginnen. Eine leichte Gewitterwahrscheinlichkeit um 12 Uhr macht das alles noch aufregender. Hier alles, was zu tragen war:
- Ein Keyboard (mit Notenständer, Pedal und Kabel)
- Ein Keyboardständer
- Noten
- Zwei große Lautsprecher
- Eine Autobatterie
- Zwei Mikrophone
- sämtliche Kabeln
- Eine Gitarre
Wir haben einen großen Haulbag gehabt, da haben wir das Keyboard und die zwei Lautsprecher stopfen können. Für den Haulbag haben wir uns die schwerste und direkteste Tour der Wand ausgesucht (Nationalfeiertag, 10-), in der Hoffnung, dass das Haulen weniger aufwendig wird und das Keyboard eventuell heil am Gipfel ankommt (eine Hoffnung, die enttäuscht werden musste). Der Rest musste von den anderen beim Klettern getragen werden.
Wir fahren am Freitag am frühen Nachmittag schon mit der Gondel hoch. Das gibt uns die Möglichkeit, den Haulbag schon durch die ersten drei Längen hochzuziehen; beim dritten Stand verbringt mein Keyboard eine einsame Nacht. Michi und ich dürfen dann am Konzerttag die ersten drei Längen ganz normal klettern und haulen müssen wir nur noch in den letzten zwei Längen der Tour.
Der große Tag
Der Samstag kommt und jede Seilschaft startet so, dass sie um 9.30 Uhr am Gipfel sein können. Das Klettern läuft bei uns gut (dank Michi das Haulen auch) und wir werden dabei vom Filmteam gefilmt (Joni, Anemone, Lucie). Es ist ein magischer Moment, als wir uns dem Gipfel nähern und langsam auch alle anderen Seilschaften sehen. Tatsächlich kommen wir alle fast gleichzeitig auf dem Gipfel, außer Lion und Vera, der Kabelseilschaft. Die beiden sind anscheinend noch mit der Schlüsselstelle ihrer Route beschäftigt und tragen sämtliche Kabel. Wir bauen oben schon alles auf und warten etwas auf die beiden…. Es wird 10 Uhr, und ein paar Wolken sammeln sich langsam um uns herum. Wir entscheiden, jemand soll sich abseilen, um zu schauen, wie es ihnen geht. Es ist wieder der Sherpa Michi: er seilt sich ab, bis er sie sieht. Er hat ein weiteres Seil mit, mit dem er die beiden erreicht und sich die Kabeln anbinden lässt. Das Konzert kann nun beginnen, auch wenn es traurig ist, dass wir noch nicht alle oben sind.
Ich habe mir so oft die Situation vorgestellt, den Traum der letzten Jahre, der endlich in Erfüllung geht. Ein Traum, der alles verbindet, was mir wichtig ist: Musik, Bergsteigen und Politik. Es war gleichzeitig das chilligste und das aufregendste Konzert meines Lebens. Einerseits entspannt, keine Kritiker, kein Druck, “nur” ein befreundetes Publikum. Anderseits vielleicht das wichtigste Konzert meines Lebens, die Krönung der vergangenen Jahre meines Lebens.
Das besondere an diesem Konzert war: Es war nicht mein Konzert, es war unser Konzert. Jede*r hat beigetragen. Die Krönung kam, als Lion und Vera, die Kabelseilschaft, gegen Ende des Konzerts ebenfalls oben ankamen. Die Bühne durfte ich mit Berenike (Sängerin) teilen; danach eröffneten wir eine Art Open Stage, der von den versteckten Musikern unter uns befüllt wurde. Und immer mal wieder haben wir alle gemeinsam gesungen… Was Besseres hätte ich mir nicht vorstellen können.
An dieser Stelle kommt ein Dankeschön an das ganze Dreamteam!!
Michi: der Sherpa
Joni: der Stalker
Anemone und Lucie: Herbert Movies & co
Berenike: die Sängerin
David: der versteckte Musiker
Max und Philippe: die Träger
Vera und Lion: die Kabelseilschaft
Pere: Abseilman
Didi und Anna: little Italy
Thomas: Der Bergführer
Alicia und Michi: die Nachbarstalker
Die Aufregung war aber für den Tag noch nicht aus. Nun kommt das Abseilen, wovor ich logistisch am meisten Bedenken hatte. Pere und Max seilen sich als erste ab, richten die Abseilpiste ein und hinterlassen alle Seile. Der Plan, ist dass sich alle dann einfach abseilen können, die letzten zwei nehmen dann alles wieder mit. Kritisch wurde kurz, als Michi der Sherpa mit dem Haulbag dran kam. Der Fels ist am Dirndl brüchig, vor allem bei den zwei Bändern, die es umkreisen, und mit dem Haulbag sind einige Steine runtergeworfen worden. Philippe und ich haben uns als letzte abgeseilt und haben alles wieder mitgenommen. Es ging nicht schnell, aber schnell genug. Als wir bereits um 15 Uhr wieder alle mit dem ganzen Material an der Seilbahn waren, konnte ich es kaum glauben.
Learnings aus der Unternehmung?
Sich auf andere zu verlassen! Allein wäre dieses Konzert einfach undenkbar gewesen!
Was kommt jetzt?
Das Ganze ist noch nicht vorbei. Als erstes wird ein Trailer zusammengeschnitten, den wir bei der Jubiläumsfeier des Salzburger Alpenvereins am 9.11 präsentieren dürfen. Dort werden wir auch reden und von unserer Erfahrung berichten. Auf dem Keyboard wird natürlich auch gespielt! Im Laufe des Winters werden ein paar Artikel zu unserem Projekt rauskommen (AV, Salzburger Nachrichten, CAI und hoffentlich mehr). Last but not least, es werden ein Musikvideo und unsere Doku geschnitten, die wir dann ab dem Frühling bei so vielen Festivals wie möglich einreichen! Bergfilmfestival 2025 in Salzburg ist schon fix. Stay tuned!!!
Chiara, the AlPianist
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