Am 20. Juli brachen wir zu acht voller Vorfreude und mit vielen Seilen, einer ganzen Kiste voll Hochtouren-Equipment und den zwei (vielleicht) coolsten Bergführern Empi und Michi von Uttendorf im Salzburger Pinzgau auf zum Enzingerboden, von wo uns eine Gondel zum Berghotel Rudolfshütte chauffierte. Dies sollte unser Basislager für die nächsten viereinhalb Tage werden, wobei wir eher mit gewöhnlichem Almhüttencomfort und nicht mit Swimmingpool und unbegrenzt Tiramisu zum Abendessen gerechnet hatten.

Kartenkunde

Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad ließen uns etwas aufatmen, die 30-Grad-Marke hatten wir zum Glück im Tal gelassen. Nach dem Verstauen des Gepäcks und einer kurzen Pause trafen wir uns vor dem Hotel und bekamen jeweils zu viert eine Karte der Granatspitzgruppe in die Hände gedrückt, mit der wir dann zuerst etwas ratlos und gegen Ende hin schon fast wie Profis die hohen Gipfel und Scharten um uns herum benannten. Empi und Michi gaben uns nicht nur sehr hilfreiche Tipps zur Orientierung mit Karten sondern zeigten uns auch anhand von Beispielen, wie man Höhenmeter mithilfe der Höhenlinien ausmisst und wie sehr der klimabedingte Rückgang der Gletscher das Lesen der Karten beeinflussen kann. Nach dem Abendessen wartete dann noch etwas Knotenkunde auf uns, aufgrund dieser wir nun nicht nur alle fünf Basisknoten (mehr oder weniger) wie im Schlaf beherrschen, sondern auch die Wichtigkeit des Festziehens und des sauberen Legens der Ösen und Knoten lernten.

Üben was das Zeug hält…

Tag zwei hielt für uns einen Ausflug ins „Little Yosemite“, einem Klettergarten circa 40 Minuten vom Lager entfernt, bereit. Nach kurzer Einführung in die Kunst des richtigen Friend- und Keil-Setzens versuchten wir nun auch selbst, die richtigen Spalten und Verengungen für die Sicherungsgeräte zu finden. In Zweierseilschaften trainierten wir schließlich noch die Kommunikation und vor allem das Sichern des Partners und sich selbst, was uns am Folgetag sehr zugute kam. Nach dem Abseilen und ersten Versuchen in der Selbstrettung via Prusikknoten an einem Übungsfelsen ging es für uns zur Staumauer zurück, wo Empi und Michi eine kleine Überraschung für uns bereit hielten. Unter den ungläubigen Blicken der Passanten seilten wir uns selbst ab und wanderten anschließend die paar Meter zum Hotel hinauf, wo uns gebackene Apfelringe mit Vanillesoße den perfekten Tagesabschluss boten.

Tourentag

Nach dem Abendessen stand für uns noch die Tourenplanung auf die Granatspitze via Nordgrat für den Folgetag am Programm, bevor wir allesamt müde aber happy ins Bett fielen. Aufgewacht, Tourentag is! Nach einem kleinen Frühstück und einem Blick in den Wetterbericht marschierten wir um 7:00 los Richtung Sonnblickkees, dem der Granatspitze und dem hohen Sonnblick zugrunde gelegenen Gletscher. Nach circa zweieinhalb Stunden erreichten wir diesen auch und überquerten, mit Steigeisen und Pickel ausgestattet, das jämmerlich dahinschmelzende Zehrgebiet des Gletschers bis wir die ersten Schneefelder erreichten und das Seil zur Gletscherseilschaft anlegten. Ehrfürchtig bestaunten wir den zerklüfteten Nordgrat der Granatspitze, der nun unmittelbar vor uns lag. Nach dem ersten Standplatzbau kletterten wir in Zweierteams dann auch schon die ersten paar Platten hoch, jene uns eine Vorahnung auf die kommenden zwei Stunden mit feinster Gratkletterei gaben. Konzentriert bauten wir Standplätze, setzten Friends, kletterten, boulderten (oder robbten) mehr oder weniger elegant über Felsformationen und hatten vor allem einen Riesenspaß. Am Gipfel angekommen genossen wir die Aussicht über die gesamte Goldberggruppe und verzehrten glücklich und verschwitzt unser Lunchpaket.

Über den Ostgrat stiegen wir schließlich zu einem steilen Schneefeld ab, bei dem wir unter großen Gelächter das Bremsen im Firn mit und ohne Pickel übten. Nach einer kurzen Gletscherquerung stiegen wir dann über einen kleinen Klettersteig noch circa zwei Stunden zur Rudolfshütte ab, bevor wir nach einem Powernap das Abendbuffet plünderten und kurz über den vergangenen Tag reflektierten.

Wettrennen um das Kuchenbuffet & Hüttendisco

Tag vier startete mit Gewittern und Regenschauern, weshalb uns die Bergführer ins hauseigene Gletschermuseum führten und mit uns verschiedenste Gefahren, Gletscherarten und Schneeformation, vor denen man sich besser in Acht nimmt, besprachen. Den Nachmittag verbrachten wir wieder in „Little Yosemite“, wo wir verschiedene Arten von Seilschaften durchgingen, die Bergung aus Spalten übten und auch das richtige Steigeisenhandling am Fels lernten. Der Rückweg artete schließlich in ein Rennen um das Kuchenbuffet aus, welches Michi und Josef mit höchstens einer Sekunde Vorsprung vor Helena, Anna-Maria und mir gewannen und sich die ersten Kuchenstücke sicherten. Nach dem Abendessen spielten wir noch ein paar Runden „Lügen“ und schlossen (oder starteten) den Abend mit einem Besuch in der Hüttendisco ab.

Danke

Der Abreisetag wurde mit Prusikübungen und dem Heraufziehen eines „Opfers“ aus der Staumauer, die als Spalte fungierte, mithilfe eines Flaschenzugs abgeschlossen. Müde, happy, mit sehr viel neuem Wissen und neuen Plänen für weitere Camps traten wir zu Mittag die Heimreise an. An dieser Stelle möchten wir uns noch bei Michi und Empi bedanken, die uns ihr Wissen auf eine Art und Weise vermittelten, die uns wirklich nachhaltig lernen und trotz den Mengen an Lehrinhalten den Spaß nie zu kurz kommen ließ. Danke!

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