Saubere Berge – (M)ein Beitrag zum ungetrübten Naturerlebnis
Unsere Natur- und Bergerlebnisse sind emotional. Doch was das Glücksgefühl stört, ist der Ärger über Ausgangspunkte und Steige gepflastert mit Taschentüchern, hartnäckigen Obstschalen oder allgegenwärtigen Zigarettenstummeln. Denn egal, ob ästhetisches oder ökologisches Problem: Abfall hat am Berg nichts verloren und sollte dort entsorgt werden, wo er herkommt – im Tal.
Aktivitäten in der freien Natur sind beliebt, was sich nicht zuletzt in steigenden Mitgliederzahlen der alpinen Vereine spiegelt. Doch mehr Naturnutzer*innen verursachen auch mehr Druck auf die Umwelt und produzieren mehr Abfall, selbst wenn nur ein Bruchteil dieser Menschen achtlos (egal ob versehentlich oder absichtlich) etwas zurück lässt (engl. littering ). Abgesehen davon, dass Müll einfach wegwerfen nirgends gestattet ist, „überleben“ viele Materialien gleich mehrere Generationen von Alpinist*innen. Denn am Berg braucht selbst ein Papiertaschentuch bis zu 5 und eine Plastikflasche bis zu 5.000 Jahre, bis sie verrotten. Glasflaschen, Plastikkanister oder Styropor sind biologisch gar nicht abbaubar.
Verrotten Bananenschalen?
Angaben zu Verrottungszeiten am Berg können aber nur Richtwerte sein, denn die tatsächliche Dauer hängt von vielen Faktoren ab. Bakterien sorgen für einen biologischen Abbau der abgestorbenen tierischen und pflanzlichen Substanzen durch Fäulnis und Gärung. Diese Mikroorganismen in der Humusschicht sind temperaturempfindlich und unter ca. 10 – 8 °C nicht mehr aktiv. Auch wird mit zunehmender Seehöhe die Vegetation karger, die Humusschicht dünner und die Anzahl der Mikroorganismen im Boden weniger. Was im Tal schnell(er) aus dem Blickfeld verschwindet, bleibt am Berg lange als menschliches Andenken zurück.
Verrottungszeiten:
- Bananen- oder Orangenschale 1-3 Jahre
- Papiertaschentuch 1-5 Jahre
- Zigarettenstummel 2-7 Jahre (+ Chemikalien, Schwermetalle)
- Kaugummi 5 Jahre
- Blechdose 50-500 Jahre
- Plastikflasche 100-5.000 Jahre
- Plastiksack 120-1.000 Jahre
- Aluminiumpapier 200-400 Jahre
- Aludose 400-600 Jahre
- Babywindel, Damenbinde 500-800 Jahre
- Glasflasche (ganz) 4.000-50.000 Jahre – nicht messbar
- Styropor 6.000 Jahre – nicht messbar
- Batterie 100-1.000 Jahre (+ Chemikalien, Schwermetalle)
Taschentücher am Berg
Diese Achtlosigkeit verursacht Aufwand, kostet Zeit und Geld: aufsammeln, wegbringen, entsorgen. Auch der Alpenverein, seine Funktionär*innen und Mitglieder bringen viel Zeit und Energie auf, um in mühsamer Handarbeit bei Wanderungen, Flurreinigungsaktionen oder Begehungen die Berge sauber zu halten. Hüttenpächter haben den zusätzlichen Aufwand, auch noch liegengelassenen Müll der Gäste aufwändig ins Tal zu transportieren. Gleichzeitig werden Ressourcen dem Stoffkreislauf entzogen, denn der gelitterte Abfall landet meist unsortiert im Restmüll und wird nicht wiederverwertet. Die Kosten trägt die Allgemeinheit! Oft führen auch Missverständnisse und Unwissenheit statt böse Absichten dazu, dass besonders Abfälle aus organischen Materien in der Landschaft ‚entsorgt‘ werden, mit dem Beisatz „Verrottet ja eh!“. Doch weil am Berg eben keine idealen Bedingungen für Kompostierung herrschen, bleiben Taschentüchern, Bananen-, Eier- und Orangenschalen lange bestehen und werden auch nicht gefressen. Wenn auch primär ein ästhetisches Problem, sind die Taschentuchablagerungen doch vielen Naturnutzer*innen ein Ärgernis. Andere Materialien stellen hingegen ein Gesundheitsproblem für Mensch und Tier da.
Darf ich meinen Zigarettenstummel wegwerfen?
Auf keinen Fall. Vollkommen unterschätzt wird hier die Schädlichkeit von Zigarettenstummeln, die eigentlich einen Platz im Sondermüll hätten, aber zumindest im Mistkübel landen müssen. Die kleinen Filter aus stark verarbeiteten Zellulosefäden machen in Stückzahl nicht nur mehr als die Hälfte des herumliegenden Mülls aus, sondern sind auch hoch giftig. Nach dem Rauchen sind Tabakreste und Filterkörper durchtränkt mit giftigen Schwelrückständen, krebserregenden Schwermetallen sowie Teer, Nikotin und viele mehr: der Naturschutzbund kommt auf bis zu 4.000 schädliche Stoffe in einem einzigen Zigarettenstummel, der 40-60 Liter sauberes Grundwasser verunreinigt und den angrenzenden Boden kontaminiert. Über Boden und Wasser, Pflanzen und Tiere kommt das Problem durch die Nahrungskette wieder zurück zum Verursacher Mensch. Somit gilt – egal ob in der Zivilisation oder Natur: Zigarettenfilter ausnahmslos in den Abfall.
Die Not mit der Notdurft
Was im Englischen blumig „call of nature“ heißt, wird unterwegs schnell zur „Notdurft“. Weil oft ein Tabu, gibt es auch beim Thema Fäkalien wenig Problembewusstsein und viele Missverständnisse. Zu bedenken ist die mögliche Verunreinigung von Grund- und Oberflächenwässern sowie die Ansteckungsgefahr anderer Lebewesen durch Bakterien, Viren und Parasiten, die im Kot von Warmblütlern (z.B. Menschen, Hunde) immer vorhanden sind – unabhängig davon, ob man selbst gerade Krankheitssymptome zeigt. Dass kunstvoll drapierte Taschentücher mittlerweile stete Begleiter am Wegesrand sind, überrascht nicht weiter. Moderne Papiertaschentücher sind ein Meisterwerk der Technologie und zur Beständigkeit entwickelt: aus veredeltem Zellstoff werden sehr reißfeste und saugfähige Tücher, um sich wohlig weich, mehrlagig und teilweise parfümiert die Nase zu putzen. In vielen Ländern ist es für Weitwanderer und Camper selbstverständlich, dass auch dieser „Abfall“ inklusive Klopapier erst in der Zivilisation wieder entsorgt wird. Kreative Ideen für Transportbehältnisse sowie Erfahrungswerte finden sich online zuhauf.
Aktion Saubere Berge
Aus dem Satzungszweck des Alpenvereins, nämlich die Schönheit und Ursprünglichkeit der Bergwelt zu erhalten, leitet sich auch die „Aktion Saubere Berge“ ab, welche bereits seit 1971 besteht. Als Dach stehen die „Sauberen Berge“ über allen Bemühungen des Alpenvereins, auf unterschiedlichen (Vereins-)Ebenen und zu vielfältigen Arbeitsbereichen Bewusstsein für nachhaltiges Handeln zu schaffen und den sorgfältigen Umgang mit Ressourcen vorbildlich in der Vereinsarbeit zu implementieren – sei es bei öffentlicher Anreise, sanften Tourismus und nachhaltiger Tourenplanung, bei Energieeffizienz und Umweltgütezeichen auf Hütten.
Barbara Reitler ist Mitarbeiterin der Abteilung Raumplanung und Naturschutz des Österreichischen Alpenvereins und betreut die Initiative Bergsteigerdörfer.
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