Manchmal muss es schnell gehen. So geschehen im letzten Dezember. Als am Samstag, dem 11. Dezember 2021, viele Skigebiete in Tirol aufsperrten und es wieder zu einem tragischen Lawinenunglück am Venet kam. Da waren bereits im Vorfeld einige Anfragen von Eltern im risk´n´fun-Posteingang, die immer in die gleiche Kerbe schlugen. „Unsere Jungs sind nur im Gelände unterwegs und fahren überall rein. Gibt es da seitens des Alpenvereins ein spezielles Programm, wo die Buben lernen können, wie man sich im Gelände verhält?“ Gemeint sind damit vorwiegend Jugendliche im Alter von 13 – 16 Jahren, Geschlecht: männlich.
Ja. Wir haben seitens risk´n´fun schon lange ein Konzept ausgearbeitet. Dieselben Anfragen kamen schon vor ein paar Jahren und wir haben uns damals einen Winter lang Zeit genommen, um mit Kindern und Jugendlichen unterwegs zu sein, um Erfahrungen zu sammeln und ein Gespür für die Bedürfnisse zu entwickeln. Ein Ergebnis daraus ist unser risk´n´fun KIDS I LOCALS-Angebot, mit dem wir seit dem Winter 2014 immer wieder in den verschiedensten Sektionen unterwegs sind und mit jungen Skifahrer*innen und Snowboarder*innen arbeiten.
Unser bisheriger Aktionsradius mit risk´n´fun KIDS I LOCALS war fokussiert auf die Arbeit mit Sektionen. Interessierte Sektionen kontaktieren uns; gemeinsam mit Jugendmitarbeiter*innen vor Ort bauen wir ein passendes Programm zusammen. Im Sommer am Mountainbike, im Winter beim Snowboarden und Skifahren, altersabhängig neben der Piste auf Waldwegen oder beim Freeriden im freien Gelände. Der Rahmen, wer wofür zuständig ist, ist klar definiert; es braucht dann aber immer wieder den genauen Blick für die Bedingungen vor Ort, um ein passendes Programm gemeinsam mit den Verantwortlichen zusammenzustellen.
risk´n´fun LOCALS
Insofern waren wir im Dezember 2021 bereit, schnell und unkompliziert ein offenes Angebot für jugendliche Skifahrer*innen und Snowboarder*innen anzubieten: risk´n´fun LOCALS. Das inhaltliche Konzept war ready, wir haben sehr kurzfristig Termine für die Weihnachtsferien ausgeschrieben, zu denen sich jede*r interessierte Jugendliche anmelden konnte, der im Gelände unterwegs ist. Der Bus war gleich gepackt und unsere Teamer starteten von Kaprun übers Zillertal bis ins Kühtai mit jugendlichen Freerider*innen ins Gelände.
Ausschreibungstext – risk´n´fun LOCALS
Habt ihr eure Crew für den risk´n´fun LOCALS-Tag beisammen? Wir starten in der ersten Jänner-Woche noch spontan mit vier LOCALS-Tagen, an denen wir vom risk´n´fun-Team zu euch kommen.
Mit den risk´n´fun LOCALS-Tagen sprechen wir junge Skifahrer*innen und Snowboarder*innen im Alter von plus/minus 14 – 16 Jahren an, die abseits der gesicherten Pisten unterwegs sind. Denn gerade die vermeintliche „Vertrautheit“ des Homeresorts und das Unterwegssein in der Gruppe kann sich als trügerisch erweisen.
risk´n´fun LOCALS ist ein – auf den ersten Blick – sehr simples Konzept, das aber in der Umsetzung viel Empathie und Reflexion erfordert. Wir begleiten Jugendliche Freerider*innen auf ihren Homeruns im Gelände. Wir – das sind Trainer*innen, Snowboard- und Bergführer*innen aus dem risk´n´fun-Team -, aus Sicht eines 14-oder 15 jährigen Jugendlichen „alte Menschen“.
„Mah, jetzt bist schon so alt und gehst noch mit uns Skifahren – das ist schon sehr cool!“, meinte etwa mal ein Jugendlicher zu einem unserer Bergführer. Alter hin oder her. Vielmehr geht es um die Bereitschaft, sich drauf einzulassen und mit jungen Menschen auf Augenhöhe unterwegs zu sein, shredden zu gehen. Loszulassen und in der Rolle als Begleiter*in und Berater*in zu bleiben. Und das Lernen als einen wechselseitigen Prozess zu begreifen.
„Lernen dürfen“
Wir haben in den letzten Jahren sehr viel von jungen Skifahrer*innen und Snowbaorder*innen lernen dürfen. Was wir damals, 2014, schon am eigenen Leib erfahren konnten, ist, dass das Tempo in Freeride-Crews immer sehr hoch ist. Zack – aus dem Lift, zweimal ordentlich mit den Stöcken antauchen, zum Drop in – runter und wieder mit dem nächsten Lift rauf. Wenn Snowboarder*innen dabei sind, geht’s nicht ganz so schnell, da erst einmal noch angeschnallt werden muss und es auch immer wieder mal sein kann, dass jemand eine Querung nicht schafft.
Zum Faktor Tempo kommt die Tatsache, dass das Interesse an Kompetenz sehr groß ist. Es ist COOL, wenn gewusst wird, wie die Notfallausrüstung funktioniert – und es ist MEGA, wenn die APP vom Lawinenwarndienst aufgeht, der Lawinenlagebericht gelesen und dann auch noch verstanden wird. Und es ist oftmals ernüchternd, wenn gemeinsam mit einem Guide Hänge besprochen und eingeschätzt werden. Und dann faktenbasiert ein Ergebnis rauskommt, dass diese Line eigentlich überhaupt nicht immer funktioniert. Auch wenn da noch niemals was runtergekommen ist.
„Runter brechen“. Wege finden.
Wir versuchen, Zeitfenster einzubauen. Den Break, wo eine möglicherweise entscheidende Frage Platz findet. Das Tempo runterbrechen. Für etwas mehr kommunikativen Spielraum.
„Wenn man es schafft, BREAK-Situationen zu etablieren, ist schon eine erste Basis für gute Entscheidungen gelegt. Generell versuchen wir, das Tempo etwas rauszunehmen und dass man sich nicht gegenseitig aufgeilt, wer der Erste und Beste ist. Und völlig simpel: Abstände einhalten, wenn man in einen Hang fährt“,
beschreibt Michele Gallonetto seine Erfahrungen. „Mit der simplen Einstiegsfrage „Was wollt ihr von mir? und der Gabe, dann auch warten zu können, bis was von den Jugendlichen kommt, steigen wir in den Tag ein. Da kann ich dann andocken und sie abholen und ihre Fragen aufgreifen.“ Und da beginnt dann auch die Interaktion. Als Ausbildner*in muss dann flexibel agiert werden, um die Fragen und Wünsche der Kids auch alle sinnvoll in den Tag integrieren zu können.
Der Bogen spannt sich da von Runs, die man schon mal machen wollte, bis hin zur Funktion der Notfallausrüstung oder Kicker springen. Und es sind auch viele Themen, die irgendwo „dazwischen“ angesiedelt sind und die Freeride-Crew oder persönliche Erfahrungen der Kids betreffen. Im Zillertal sind wir im letzten Jahr an dem Hang vorbeigekommen, wo im Winter 2020 ein jugendlicher Freerider tödlich verunglückt ist.
Alle haben den Jugendlichen gekannt. „Mein Eindruck war, dass die Kids das Unfassbare immer noch nicht begreifen können. Und die Analyse des Geländes und der Austausch zu den Geschehnissen nochmals wichtig für die weitere Verarbeitung war“, erzählt Snowboardführerin Ursl Wohlschlager.
Auch das gehört dazu
Apropos Zillertal: Anführen möchten wir abschließend noch die Initiative FIT4 Powder, die auch aufgrund dieses tragischen Unfalls entstanden ist. Die Sektion des Alpenverein Zillertal, der Zillertaler Bergführerverband und die örtlichen Skiclubs haben sich dabei zusammengetan und spezielle Tage für einheimische Kinder, die es über den gesicherten Pistenrand zieht, angeboten. Danke nochmals für die Möglichkeit, dass wir hierbei mit unserem Know-how unterstützen durften.
TERMINE zu den risk´n´fun LOCALS gibt es unter www.risk-fun.com/locals , interessierte Sektionen finden Infos unter www.risk-fun.com/kids
Dani Tollinger ist seit 2000 im Leitungsteam von risk'n'fun und für die Gesamtleitung verantwortlich.
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