Bouldern, also das Klettern in Absprunghöhe, wurde lange Zeit mehr als Trainingsmöglichkeit für alpine Abenteuer gesehen und nicht als eigenständige Kletterdisziplin. Als reine/r Boulderer bzw. Boulderin wäre man, vor allem in unseren Breiten, kein richtiger Kletterer bzw. keine richtige Kletterin gewesen. Dennoch war dieses „Trainingsbouldern“, das sich zum Glück immer mehr emanzipierte, für die Entwicklung des Sportkletterns sehr wichtig.
Heute ist es längst eine eigenständige Disziplin mit extrem starkem, wenn nicht sogar dem stärksten Zulauf aller Kletterdisziplinen. bSicherlich auch, weil der Einstieg so einfach erscheint. Sichern ist kein Thema, man besorgt sich Kletterschuhe und Magnesium und kann loslegen; beim Bouldern kann ja vermeintlich nichts passieren. Aber das ist so leider nicht ganz richtig.
Das Thema Sicherheit ist beim Bouldern anders gelagert als z. B. beim Felsklettern. Dort bedeuten Fehler sehr rasch schwere oder schwerste Verletzungen. Beim Bouldern sind es leichte und mittelschwere Verletzungen – vor allem solche unserer Gelenke. Um diese zu vermeiden, findet ihr im folgenden Text ein paar hilfreiche Tipps.
Aufwärmen
Was beim Klettern schon sehr wichtig ist, ist beim Bouldern noch viel bedeutender – nämlich das Aufwärmen! Die Züge, die wir beim Bouldern machen, fordern unsere Maximalkraft. Auch das Abspringen bedeutet maximale Belastungen für unsere Bänder, Sehnen und Gelenke, und darum muss Aufwärmen fixer Bestandteil vor jedem Bouldern sein, um Verletzungen und Überlastungen vorzubeugen.
Am besten beginnt man mit koordinativen Übungen, gefolgt von Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit von Fingern und Gelenken. Danach wird der Kreislauf aktiviert und es folgen Mobilisierungsübungen und Übungen zum Aufbau der Körperspannung. Was oft vergessen wird, aber sehr wichtig ist, ist das Aufwärmen der Beine, vor allem also Knie und Sprunggelenke. Wichtiger Teil jedes Aufwärmens ist das Warmklettern an leichten Bouldern, weit unterhalb der persönlichen Leistungsgrenze. Sukzessive wird die Schwierigkeit dann gesteigert.
Der Sturzraum
Der Sturzraum muss stets freigehalten werden. Dennoch sieht man immer wieder Gegenstände wie Bürsten oder Flaschen im Sturzraum liegen. Bevor man einsteigt, sollte man sich also vergewissern, dass der Sturzraum frei ist. Und dieser kann, vor allem bei dynamischen Zügen in steilen Bouldern, durch den dabei entstehenden Schwung schnell sehr groß werden.
Es ist daher auch wichtig, dass man sich auf der Matte nur dann aufhält, wenn man zum oder vom Boulder geht, ansonsten sollte man sich in den dafür vorgesehenen Bereichen aufhalten.
Dazu kommt noch, dass die Gefahr bzw. die Sturzräume manchmal nicht ganz offensichtlich sind. Besonders kritisch sind dabei Bereiche wie Durchgänge oder Kanten. Dort sieht man nämlich nicht, ob jemand gerade bouldert und vielleicht wegen eines Sprungs gleich ums Eck schießt. Zusammenstöße sind so schnell passiert.
Ein Übereinanderklettern ist natürlich ein absolutes No-Go!
Beim Outdoorbouldern kommt noch ein wichtiger Ausrüstungsgegenstand für den Sturzraum dazu, das Crashpad. So nennt man die transportablen Matten zum Absichern des Sturzraumes. Sie sind in verschiedensten Ausführungen und Größen erhältlich. Je mehr Crashpads für den Sturzraum zur Verfügung stehen, desto besser. Wichtig ist in erster Linie, dass die Pads bündig aneinander liegen und gefährliche Objekte wie spitze Steine, Wurzeln oder Kanten abgedeckt werden.
Ungünstige Überlappungen erhöhen das Verletzungsrisiko. Darüber hinaus ist die richtige Position der Crashpads wichtig. Nur, wenn das Crashpad auch dort liegt, wo der Boulderer bzw. die Boulderin bei einem Sturz landet, schützt es. Dies abzuschätzen, ist allerdings nicht immer leicht und erfordert viel Erfahrung.
Das Vorbereiten des Sturzraums ist die wichtigste und auch komplexeste Herausforderung beim Bouldern am Fels. Mit etwas Übung und Kreativität wird man aber schnell besser und erkennt mögliche Gefahrenstellen.
Richtiges Spotten outdoor
Spotten ist beim Bouldern in Kletterhallen meist nicht nötig, da der gesamte Sturzraum mit Matten abgesichert ist. Viele wollen dort auch gar nicht gespottet werden. Trotzdem kann das Spotten in der Halle sinnvoll sein, z. B. beim Bouldern mit Kindern oder bei Boulderproblemen, wo Stürze auf den Kopf möglich sind.
Wenn spotten in der Halle, dann bitte richtig! Der Spottende muss nahe genug am Kletternden stehen, um schnell reagieren zu können und so zu verhindern, dass dieser auf Kopf oder Nacken landet. Wenn die Gefahr eines Sturzes auf den Kopf nicht mehr gegeben ist, sollte der Spotter/die Spotterin den Sturzraum wieder freigeben.
Im Freien kommt dem/der Spottenden hingegen in etwa die gleiche Wichtigkeit zu wie dem/der Sichernden beim Seilklettern. Die Aufgabe besteht in erster Linie darin, den Kletterer bzw. die Kletterin vor einer unkontrollierten Landung zu bewahren.
Dies nicht, indem die kletternde Person gefangen wird, sondern indem dafür gesorgt wird, dass diese mit den Füßen, möglichst aufrecht, auf dem Crashpad landet. Dazu steht man mit leichtem Ausfallschritt hinter der bouldernden Person. So weit weg, dass diese mit einem Schritt nach vorne erreicht werden kann, aber dennoch weit genug entfernt, um keinen Schlag durch unkontrollierte Extremitäten – etwa bei einem dynamischen Zug – abzubekommen.
Die Finger müssen nach außen zeigen und geschlossen sein. Auch der Daumen muss dicht angelegt sein, um eigene Verletzungen zu vermeiden. Bei einem Sturz versucht der/die Spotter*in nun, den Kletterer/die Kletterin im steilen Gelände unterhalb der Achseln, im flachen Gelände ca. in Hüfthöhe zu erreichen, um ihn/sie aufzurichten.
Auch das Einschätzen des Gewichtsverhältnisses ist wichtig, um Verletzungen zu vermeiden. Ist die kletternde Person im Verhältnis zu schwer, macht es keinen Sinn, zu spotten. Das Verletzungsrisiko wäre zu groß.
Bei kleinen oder schlecht mit Crashpads abzusichernden Sturzräumen hat der/die Spotter*in zusätzlich die Aufgabe, den Kletterer/die Kletterin vor Hindernissen, die nicht verdeckt werden können, zu schützen. Entweder, indem man sich selber vor das Hindernis stellt oder das Crashpad nachzieht, wenn das nötig ist. Spotten will gelernt sein und braucht dementsprechend viel Übung!
Abklettern oder Abspringen
Das regelmäßige Abspringen und Stürzen beim Bouldern belastet auf Dauer den Bewegungsapparat. Insbesondere Bandscheibenprobleme kommen gehäuft vor. Es ist deshalb wichtig, die Anzahl und Höhe der Belastungsspitzen zu reduzieren. Deshalb sollte, wenn möglich immer, abgeklettert werden.
In vielen Kletterhallen gibt es dafür eigene sogenannte „Downclimbgriffe“ in einer neutralen Farbe, die ein einfaches Abklettern ermöglichen sollen. Eine zweite Möglichkeit ist, über bessere Griffe, falls vorhanden, daneben abzuklettern. Jeder Zentimeter reduziert dabei die Sturzenergie.
Eine dritte Möglichkeit, das Abspringen zu vermeiden, bieten sogenannte „Topout“-Bereiche. In vielen Kletterhallen kann man am Ende des Boulders oben hinausklettern und auf der Rückseite der Boulderwand heruntergehen.
Dennoch bleibt oft nur die Möglichkeit des Abspringens übrig. Daher muss sicheres Landen beim Bouldern geübt werden, um auch bei unerwarteten Stürzen richtig reagieren zu können. Man sollte Reaktionen und Reflexe vorab einüben. Ziel dabei ist es, harte Stöße und unsichere Landepositionen zu vermeiden. Vor allem gilt es, die Wirbelsäule zu schützen. Dabei ist es wichtig, stabil auf beiden Beinen zu landen: den Fangstoß mit den Knien abfedern, die Arme vor den Körper geben und den Nacken stabil halten. Bei besonders harten Stürzen kann man auch nach hinten abrollen, vorausgesetzt der Sturzraum lässt dies zu.
Auf keinen Fall sollte man sich beim Stürzen mit den Armen abstützen, weder zur Seite noch nach vorne oder hinten.
Spielplatz Boulderhalle
Durch das Spielen eignen sich Kinder die Welt an, sie besitzen noch die Fähigkeit, sich ausschließlich auf ihr Tun zu konzentrieren. Dieser Fokus lässt die Welt rundherum einfach verschwinden. Diese eigentlich wichtige Fähigkeit stellt aber in einer vollen Boulderhalle ein Problem dar.
Sie ist eben kein Spielplatz, wobei aber vor allem die Matten Kinder geradezu dazu einladen, dort zu spielen. Kinder brauchen daher immer die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern oder Betreuer*innen. In vielen Kletterhallen gibt es bereits eigene Kinderbereiche, die ähnlich einem Spielplatz gestaltet sind – weg vom hektischen Kletterhallenbetrieb.
Bei Kindern sollte außerdem gleich von Anfang an eine maximale Kletterhöhe definiert werden. Je nach Größe, körperlicher Entwicklung, Alter und Kletterniveau muss diese individuell angepasst werden.
Rücksicht und Respekt
Generell gilt für Boulderer und Boulderinnen wie auch für alle anderen Waldbenutzer*innen das freie Wegerecht. Das heißt: Jeder darf den Wald zu Erholungszwecken betreten und dabei natürlich auch auf Bouldern herumklettern.
Jedoch gibt es noch andere Waldnutzer*innen wie Jäger*innen, Wanderer und Wanderinnen – und die Tierwelt; und alle haben unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse. Für ein möglichst konfliktfreies Miteinander ist ein rücksichtsvoller Umgang unumgänglich.
Regionale Regelungen, die z. B. die Zufahrt oder das Parken betreffen, müssen genauso berücksichtigt werden wie folgende allgemeine Empfehlungen:
- immer dieselben Wege oder Pfade benutzen
- keinen unnötigen Lärm produzieren
- keine Lagerfeuer
- kein wildes Campen
- Müll wieder mitnehmen – dazu zählen auch Zigarettenstummel!
- das Verlassen des Waldes vor der Dämmerung zur Schonung der in diesen Stunden aktiven Tierwelt
- Hunde unbedingt an die Leine nehmen
Darüber hinaus sollten das Putzen der Griffe und das Beseitigen der Tickmarks, das sind Magnesiastriche, die die Position der Griffe am Fels markieren, zum Standardritual am Ende eines Klettertages werden.
Und hier noch etwas für die Erstbegeher*innen unter euch:
Bäume und Sträucher dürfen, auch wenn sie manchmal im Weg stehen, nicht ohne Rücksprache mit dem/der Grundbesitzer*in abgeschnitten werden. Auch das großflächige Abtragen von Moospolstern muss vermieden werden. Ein absolutes No-Go ist das Schlagen von Griffen, das sogenannte Chippen. Griffe aufbohren oder mit dem Hammer Griffe größer machen, zerstört nicht „nur“ den Felsen, sondern auch den Grund, warum man in die Natur geht. Weil man das von der Natur gestellte Problem am Fels lösen will. Sie soll nicht dazu dienen, die eigenen Kreationen darin zu verwirklichen, dafür geht man besser in die Boulderhalle!
Es gibt nichts Schöneres für einen Boulderer bzw. eine Boulderin als das Klettern in der Natur. Die Erhaltung der Bouldergebiete muss uns daher allen ein Anliegen sein!
Nur, wenn jede und jeder einen kleinen Beitrag leistet, können wir Bouldergebiete schützen und für die nächsten Generationen bewahren.
Sicher Bouldern – hier gibt’s den Link zum VIDEO!
Markus Schwaiger ist Mitarbeiter der Abteilung Bergsport - Sportklettern des Österreichischen Alpenvereins
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