Warum sollte jemand gerade bei uns freiwillig mitarbeiten?
Text – Rainer Lenzenweger
Wir brauchen jemanden! Aber woher nehmen? Die Arbeit im eigenen Alpenvereinsteam kann schon frustrierend sein. Immer sind´s dieselben, an denen die Arbeit hängenbleibt oder die etwas anbieten. Man bräuchte halt neue Leute, die aktiv in der Sektion mitarbeiten. Aber woher nehmen? So sitzt man wieder einmal im trauten Team beisammen und stellt frustriert fest: Heute will doch keiner mehr freiwillig etwas machen! Doch stimmt das? Richtig ist, dass heute die wenigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ehrenamtlichen Organisationen ihre Dienste aus Pflichtgefühl anbieten.
Wer sich heute freiwillig engagiert, möchte attraktive Aufgaben erfüllen
- die er/sie möglichst frei und selbst gestalten kann,
- die auch Spaß machen und
- deren Sinn klar erkennbar ist.
Weiters möchte er oder sie
- neue Erfahrungen machen,
- Verantwortung übernehmen und
- aktiv an der Entwicklung der Organisation teilnehmen.
Klassische Vereinsmeierei interessiert heute niemanden mehr. Einem oder einer potenziellen Mitarbeiter oder Mitarbeiterin gleich einmal ein Aufgaben- und Pflichtenheft vor den Latz zu knallen, wird nicht funktionieren und ein Scheitern der Mitarbeiterinnen- oder Mitarbeiter-Suche ist vorprogrammiert.
Mein Alpenverein ist attraktiv
Warum sollte jemand gerade bei uns freiwillig mitarbeiten? So wie für Unternehmen zählt auch für Alpenvereinsteams: Je attraktiver der angebotene Aufgabenbereich und die Institution sind, desto leichter fällt es, Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter dafür zu gewinnen. Beim Alpenverein fällt die Bezahlung als „Lockmittel“ weg, dafür zählen umso mehr die oben genannten Gewinnmöglichkeiten. Zusätzlich braucht es jedoch auch noch handfeste Angebote. Womit sich die nächste Frage stellt: Welche konkreten Vorteile und Angebote bieten wir neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?
Im Alltagstrott und in der Unzufriedenheit über das aktuelle Vereinsleben übersieht man schnell einmal, dass die eigene Sektion, Ortsgruppe oder das Jugendteam und der Alpenverein insgesamt doch einiges für Freiwillige zu bieten haben. Oft hilft schon eine kleine Ist-Analyse der Sektion/Ortsgruppe/Jugendgruppe, um zur Erkenntnis zu gelangen: Eigentlich passiert eh viel in unserem Alpenverein und die reale Situation sowie das Potenzial ist besser, als die momentane Stimmung im Team vermuten lässt. Da gibt es immer noch unser „Basisprogramm“ mit Fixpunkten: aktuelles Leihmaterial, eine Boulderwand, die Sektions-Hütte, das eingespielte Jugendteam … Dann bieten wir noch Kostenersatz für Autofahrten und Aufwendungen, weil freiwilliger Einsatz im Alpenverein nicht auch noch etwas kosten soll. Nicht zu vergessen sind der Versicherungsschutz und die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten in der Alpenvereins Akademie, die der Alpenverein seinen freiwilligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bietet. -Und kleine Anerkennungen unter dem Jahr für die unentgeltlich geleisteten Dienste ebenfalls immer wieder einmal. Ja, eigentlich sind wir als Alpenverein eine wirklich attraktive Organisation für Freiwillige.
Die Vereinsarbeit neu denken
Aber kommen wir zu den Aufgaben und Funktionen zurück, für die wir konkret jemanden suchen. Neu denken ist auch hier erlaubt. Nur wenige Funktionen sind von den Vereinssatzungen her fix zu besetzen und auch dort lassen sich Aufgaben teilen oder möglicherweise auch ganz anders gestalten. So verlieren sogar die oft schwer zu besetzenden Pflichtfunktionen, wie Vorsitzende/r, Finanzreferent/in, Schriftführer/in oder wichtige Aufgaben, wie Mitgliederverwaltung, ihren Schrecken. Funktionsperioden lassen sich verkürzen, Anzahl und Dauer der Sitzungen
verringern und deren Gestaltung und Ablauf verändern. Besprechungsort muss nicht immer das nüchterne Vereinslokal sein. Wie wäre es mit einer Besprechung rund ums Lagerfeuer? Die einen bevorzugen große Vorstandsteams, die anderen kleine Arbeitsteams. Team-Zusammensetzung und Mitsprachemöglichkeiten können ebenfalls abgeändert werden.
Wie wäre es mit einer „Schnupperzeit“ für neue Mitglieder im Team? Begleitet von einer fixen Ansprechperson haben Interessierte so die Möglichkeit, in Aufgabengebiete hineinzuwachsen. Vielleicht sagen sie auch eher Ja zu einer Mitarbeit, wenn sie wissen, wie sie später auch wieder aussteigen können, ohne jemanden zu verärgern.
Neueinsteiger und Neueinsteigerinnen möchten natürlich wissen, was sie erwartet. Eine einfach gehaltene Funktions- und Aufgabenbeschreibung ist sicherlich hilfreich – immer mit dem Hinweis, was davon noch variierbar ist und welche tatsächlichen Veränderungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten bestehen. Das beugt Missverständnissen und Überforderungen vor.
Mut zur Veränderung ist gefragt – nach dem Motto „Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll.“ (Zitat Georg Christoph Lichtenberg, Mathematiker)
Werbung einmal anders probieren
Bevor es darum geht, konkret Leute für die Mitarbeit anzusprechen, braucht es also zuerst ein gutes Stück Selbstreflexion und Selbstklärung. Bei diesem Prozess kann es hilfreich sein, für einen Blick von außen externe Leute, die derzeit noch nicht mit dem Alpenverein verbunden sind, einzubinden: Lebenspartner und Lebenspartnerinnen sowie Freunde von Freunden, Menschen, von denen man weiß, dass sie gerne in der Natur und in den Bergen unterwegs sind, Hallenklettern gehen, Mountainbike fahren, neu in die Gemeinde zugezogen sind … Als Ergebnis dieses Prozesses soll allen an der Suche Beteiligten klar sein: „Das sind wir!“ und „Das wollen wir!“
Nun geht es darum, aus diesen Erkenntnissen eine Werbestrategie zu schmieden. Jetzt kann die eigentliche Suche beginnen. Dabei können verschiedenste Medien und Kanäle eine wichtige Rolle spielen: Vereinszeitung und Schaukasten, Facebook, Instagram und Youtube, Gemeindezeitung und Pfarrblatt, Lokalblätter und Regionalzeitungen, eventuell auch Radio und Fernsehen. Auch hier ist Mut zum Neudenken gefragt. Wie wäre es mit einem Medienfrühstück in der Kletterhalle? Einem Transparent bei der Ortseinfahrt? Am wirkungsvollsten ist jedoch immer noch, Leute persönlich anzusprechen. Doch wie findet man die? In dem vorhin beschriebenen Prozess sind vielleicht schon ein paar Ideen und Namen zu potenziellen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gefallen. Bei der gemeinsamen Durchsicht der Mitgliederliste könnte auch der oder die eine oder andere mögliche Kandidat oder Kandidatin hängenbleiben. Oder vielleicht gibt es welche unter den tausend Facebook-Freunden und –freundinnen, die ihr gemeinsam habt? Noch ein Tipp: Führe persönliche Gespräche nicht mit leeren Händen. Nimm Unterlagen mit, auf denen werbend zusammengefasst ist: Das sind wir! Das bieten wir dir! Das ist unser Rahmen (z.B. fünf Vorstandssitzungen im Jahr).
Bei uns ist das ganz anders
Jede Sektion, Ortsgruppe oder Jugendgruppe ist anders. Im Alpenvereins-Coachingteam haben wir natürlich Erfahrungen mit dem „System“ Alpenverein. Als externe Coaches wissen wir, wie man aus Betroffenen Beteiligte macht und konzeptionell gestützt schrittweise an Zielen arbeitet. Der hier vorgestellte Weg, neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu gewinnen, enthält vielleicht auch für deine Alpenvereinsgruppe Anregungen. Dein Coaching zur Freiwilligen-Suche kann jedoch auch ganz anders verlaufen. Denn für deinen Alpenverein bist du der Experte/die Expertin.
Als externe Coaches begleiten wir dich und dein Team gerne, damit ihr mit eurer Strategie eure Ziele erreicht. Viel Erfolg!
Rainer Lenzenweger ist seit 2010 im Coaching-Team. Arbeitet als Trainer, Coach und Supervisor mit den Schwerpunkten Jugendliche, Freiwilligenarbeit, Projektentwicklung und Medienarbeit. Seit 35 Jahren Vorstandsmitglied der Sektion Rodlland (Zwettl/Rodl, OÖ).
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