Es ist bereits Nachmittag, die Sonne scheint und du schickst deinen Freund*innen eine kurze Nachricht zur heutigen Ausfahrt: „Treffpunkt 17 Uhr im Stadtpark. Auffahrt Platte, Hauenstein und Lineckkogel. Spätestens um 19 Uhr sind wir an unserer Lieblings-Eisdiele.“ Das ist Tourenplanung im Kleinstformat. Ausreichend für die Feierabendrunde, eine Alpenüberquerung braucht etwas mehr Aufmerksamkeit. Hier findest du alles über eine professionelle Planung – damit auch deine Bike-Touren zum Erlebnis werden.

Die Basis jeder gelungenen Tour ist neben der Wahl der Route und Ausrüstung eine gute Vorbereitung. Sie sollte nicht erst dann beginnen, wenn man den Hintern in den Sattel schwingt. Wer frühzeitig und sorgfältig plant, hat unterwegs mit weniger Überraschungen zu rechnen. Eine Planung ist immer ein Blick in die Zukunft. Damit du dann von deinen Erfahrungen lernen und sie in die nächste Planung miteinbeziehen kannst, empfiehlt sich eine strukturierte Vorgehensweise.

PHASEN DER TOURENPLANUNG

Wir teilen die Planung in vier Phasen ein:

Phase 1: Tourenplanung zuhause
Phase 2: Verifikation vor Ort, aber noch vor der Tour
Phase 3: Rollende Planung: wahrnehmen, beurteilen, entscheiden
Phase 4: Feedback/Reflexion: Was lief gut? Was weniger gut?

Der größte Teil der Arbeit passiert in Phase 1. Hier legst du den Grundstein für die gewählte Route, wählst den Schwierigkeitsgrad und die konditionellen Ansprüche an dich und deine Freunde. Moderne Tourenplanung ist mehr als nur die Ermittlung von Dauer, Höhenmeter und Distanz. Ganz speziell im Alpenverein zählt das Naturerlebnis, das Eintauchen in die Region sowie die Einkehr in eine Hütte zu einem gelungenen Tag draußen.

Vom Schreibtisch aus ist es kaum möglich, alle Einzelheiten vorab zu planen. Die letzten Informationen werden daher in Phase 2 vor Ort gesammelt. Gibt es lokale Sperren, liegt schattenseitig noch Schnee und wie sieht jetzt der Wetterbericht aus? Der Tourismusverein,die Wirte oder lokale Biker*innen wissen über vieles Bescheid. Zudem ist es ratsam, einen Bike-Shop vor Ort zu haben, um im Notfall noch etwas besorgen oder reparieren zu können.

Alle Zeichen stehen gut und los geht’s. Bei der rollenden Planung in Phase 3 geht es vor allem um Wachsamkeit. Zieht schlechtes Wetter auf? Sind noch alle fit und schaffen wir den Zeitplan aufgrund der häufigen Pannen? Wenn du in Phase 1 Alternativen geplant hast und dir über das Zeitmanagement im Klaren bist, gilt es jetzt, ständig abzuwägen, ob eine Tour weiter durchgeführt werden kann, oder du diese abbrechen musst. So kannst du auch bei unvorhergesehenen Ereignissen passend reagieren.

Am Ende einer erfolgreichen Tour wirken eine Fülle an Erlebnissen auf dich oder deine Begleiter*innen. In einer Phase der Reflexion kann man sich sehr gut überlegen, was war gut und was könnte noch etwas runder laufen. Es sind keine tiefenpsychologischen Aufarbeitungen erforderlich, aber ein Gespräch mit allen Teilnehmenden oder in Gedanken mit dir selbst hilft, für die nächste Planung in Mehr an Qualität zu erarbeiten.

MENSCH – UMWELT – TECHNIK

Bei jeder Planung und Durchführung geht es um Menschen, unsere Umwelt und die verwendete bzw. notwendige Ausrüstung. Der erste Schritt ist die Auswahl der Region, der Höhenlage sowie der Tour selbst. Als Basis gibt es zahlreiche Gebietsführer und Literatur sowie GPS-Tracks im Internet. Bitte prüfe diese Angaben immer genau – im digitalen Zeitalter ist vieles kurzlebig und eine Route des letzten Jahres kann sich heuer schon ganz anders zeigen. Während der Gesamtanspruch einer Tour hinsichtlich Technik und Kondition in Büchern meist sorgfältiger recherchiert ist, sind Touren aus Online-Portalen immer mit Vorsicht zu genießen.

Auch die Beschreibungen beruhen meist auf subjektiven Einschätzungen und Empfindungen des Autors. Was so mancher als flowig und leicht einstuft, kann für jemand anderen eine Herausforderung sein. Nimm alle Informationen genauestens unter die Lupe, plane die Tour selbst auf alpenvereinaktiv.com und mit der Wanderkarte durch. So erlebst du unterwegs keine bösen Überraschungen.

GESAMTANSPRUCH

Die Strecke und die zurückzulegenden Höhenmeter sind schnell zu ermitteln. Bei der fahrtechnischen Schwierigkeit hat sich noch kein einheitliches System durchgesetzt. Es gilt in jeder Region herauszufinden, wie die Touren beurteilt sind und was die Schwierigkeiten bedeuten. Die Angaben von Sternen oder Helmen helfen nicht viel, wenn man nichts über die höchste und niedrigste Stufe weiß. Eine Möglichkeit, Trails zu klassifizieren, ist die singletrail-skala.de.

Die Einteilung erfolgt durch die Farben blau (leicht), rot (mittel) und schwarz (schwierig). Diese werden dann mit S-Graden (S0 bis S3) ergänzt. Insgesamt geht die Skala bis S5, allerdings sind Trails ab S4 für Normalsterbliche nicht mehr fahrbar. Reinhold Messner würde beim Klettern sagen, dass man sich hier auf einer Raufasertapete bewegt. Die Einstufung erfolgt auf Grundlage möglichst objektiver Faktoren wie Wurzeln, Steine, Stufenhöhe und Radius der Kurven unter idealen Rahmenbedingungen wie ausreichend Tageslicht und trockenem Untergrund.

Keinen Einfluss haben die Absturzgefahr, das Wetter, die Lichtverhältnisse oder die Geschwindigkeit. Trails in einer Region werden dann entweder durchgehend mit einem S-Grad oder aber etwas differenzierter (z.B. größtenteils S1, stellenweise S2) beschrieben.

ZEITMANAGEMENT

Der Zeitaufwand einer Tour ist maßgebend für deren Durchführung. Wenn du nicht am Polarkreis wohnst und die Mitternachtssonne an deiner Seite hast, so begrenzt das Tageslicht im Regelfall die Dauer der Touren. Moderne Planung nutzt Tools wie alpenvereinaktiv.com oder andere Apps, um Distanzen und Höhenmeter zu ermitteln. Je nach Sportart wird dort auf Basis von Durchschnittswerten auch eine geschätzte Zeit ermittelt. Ein sorgfältiger Tourenführer kann diese Hard-Facts auch auf der Karte ermitteln und weiß unterwegs auch ohne GPS stets über seinen Standort Bescheid.

Wie auch beim Wandern oder Skitourengehen unterscheidet man zwischen Strecke und Höhenmeter. Der Aufstieg wird beim Biken allerdings noch in fahrend oder schiebend/tragend unterteilt. Sobald die Tour in Teilabschnitte mit annähernd gleichen Eigenschaften eingeteilt ist (Wegebeschaffenheit, Steilheit, Schiebepassage, etc.), wird der zeitliche Aufwand für die Abschnitte berechnet und zum Schluss zusammengezählt. Folgende Durchschnittswerte zur Berechnung haben sich fürs Mountainbiken etabliert:
Fahrstrecke pro Stunde: 12 km
Höhenmeter pro Stunde bergauf (fahrend): 400 – 500 Hm
Höhenmeter pro Stunde bergauf (schiebend/tragend): 200 – 300 Hm

Daraus ergeben sich die Zeitwerte. Der Gesamtwert pro Abschnitt ergibt sich aus der Summe des größten Wertes und der Hälfte der kleineren Werte. Die benötigte Zeit für die Abfahrt variiert beim Mountainbiken sehr stark und ist abhängig von der gewählten Schwierigkeit der Wege. Auf einer Forststraße ist man schneller wieder im Tal als auf einem Singletrailder Schwierigkeit S3. Ein guter Startwert ist ein Drittel der Aufstiegszeit. Versuche für dich selbst herauszufinden, wie lange du auf unterschiedlichen Wegen benötigst, um ein Gefühl für deine Planungen zu bekommen.

Darüber hinaus kommen noch der zeitliche Aufwand für Orientierung, Pausen, das Anund Ausziehen sowie für eine längere Rast hinzu. Plane immer ausreichend Puffer für Pannen, Erlebnis- oder Foto-Stopps ein. Nutze diese Stopps für dich selbst zur Orientierung und wirf einen Blick auf die Karte. Bei größeren Gruppen ist es ratsam, die Zeiten etwas großzügiger zu kalkulieren. Es ist immer besser, zu früh am Ziel anzukommen als zu spät.

PAUSEN

Je nach Tour und Leistungsvermögen deiner Gruppe empfiehlt es sich, kleine Pausen in regelmäßigen Abständen einzubauen. Ein kleiner Schluck Wasser und ein Biss vom Müsliriegel verhindern einen frühzeitigen Einbruch. Kündige diese Pausen immer deutlich an und fahre nicht bereits wieder los, wenn das Schlusslicht eingetroffen ist. Klare Kommunikation vermeidet Missverständnisse und sorgt für eine gute Stimmung in der Gruppe.

CHECKPOINTS UND ALTERNATIVEN

Bereits in Phase 1, bei der Planung zuhause, solltest du dir Gedanken über mögliche Alternativen und Abbruchsszenarien machen. Speziell im alpinen Raum ist es oft nur an wenigen Stellen möglich, Änderungen an der Planung vorzunehmen. Beim Erreichen dieser Stellen, den Checkpoints, gilt es, auf Basis des eigenen Befindens, der Stimmung oder Konstitution der Gruppe bzw. alpinen Gefahren zu entscheiden.

Ein Beispiel: Du weißt, dass du die Schutzhütte vor Überschreitung des Passes bis spätestens 11 Uhr erreichen musst. Wenn du erst um 14 Uhr dort eintriffst, dann ist die Entscheidung klar: eine Nacht in der Hütte und Weiterfahrt am nächsten Tag.

SCHLÜSSELFRAGEN BEI DER TOURENPLANUNG

In allen Phasen der Planung gibt es Schlüsselfragen zu den Bereichen Mensch, Umwelt und Technik. Wir führen diese hier beispielhaft a n:

MENSCH

• Risikoverhalten und Risikospirale?
• Gruppengröße?
• Konditionelle und fahrtechnische Voraussetzungen?
• Erwartungen?
• Höhenangst?

UMWELT

• Alpine Gefahren (Wetter, Schnee, Sicht, Steinschlag, etc.)?
• Technische Schwierigkeit der Strecke?
• An-/Abreise? Mit Öffis möglich?
• Routen und Alternativen, Checkpoints?
• Einkehrmöglichkeiten, Unterkünfte: Haben diese geöffnet, muss ich reservieren?
• e-MTB: Brauche ich bzw. gibt es Lademöglichkeiten entlang der Tour?
• e-MTB: Gibt es viele Weidezäune, Schiebe- oder Tragepassagen?
• Sperren?
• Aufstiegshilfen offen? Nehmen diese Bikes mit? Sind Bike-Shops vor Ort?

AUSRÜSTUNG/TECHNIK

• Passendes Bike für die gewählte Tour?
• Für Forststraßen brauche ich kein Enduro.
• Kann mein Werkzeug alle Teile am Bike bedienen?
• Ausreichend und vor allem passende Ersatzteile?
• Bekleidung und Wetterschutz?
• Rucksack?
• Erste Hilfe-Ausrüstung?
• Verpflegung und Getränke?
• Karten, Führer, GPS?
• Handy und Geld?
• e-MTB: Habe ich das Ladegerät für den e-MTB-Akku mit?
• e-MTB: Ist ein Ersatz-Akku für das e-MTB notwendig? Hat jeder den Schlüssel mit?

MIT KINDERN UNTERWEGS

Bei allen Unternehmungen mit Kindern gilt: Weniger istmehr. Das Erlebnis, der Spaß und die Abwechslung stehen hier im Vordergrund. Schraube die Ansprüche zurück. Mountainbiken fordert auf mehreren Ebenen gleichzeitig. Einerseits benötigt man Kondition und Kraft, andererseits auch gute koordinative Fähigkeiten. Bei Kindern und Jugendlichen ist hier besonders Rücksicht zu nehmen. Wähle lieber eine kurze Tour mit mehreren kleinen Anstiegen als eine lange Tour mit einer einzigen durchgehenden Auffahrt. Lass die Kinder aktiv mitgestalten und ersetze den Leistungsgedanken durch den Erlebniswert. Bergab sind Kinder meist furchtlos und unvoreingenommen – sie benötigen hier ein wenig Orientierung und die Unterstützung der Erwachsenen, um über sich selbst hinauswachsen zu können.

AUSBILDUNGEN IM ALPENVEREIN

In der Alpenverein Akademie gibt es zahlreiche Aus- und Weiterbildungen zum Thema Mountainbike. In den Übungsleiter*innen-Kursen lernst du alles, um erlebnisreiche Touren mit Gruppen zu planen und durchzuführen. Als Vorbereitung dafür gibt es GetReady-Kurse; diese konzentrieren sich auf die Fahrtechnik und dein Eigenkönnen. Unsere Updates zu speziellen Themen wie Enduro, Spitzkehren, Trans-Alp oder Touren mit Kindern bieten Übungsleiter*innen die Möglichkeit, sich fortzubilden. Mit dem Programm von risk’n fun geben wir Kindern und Jugendlichen die Chance, das Mountainbiken für sich zu entdecken und einen gesunden Umgang mit der eigenen Risikokompetenz zu entwickeln.

FOTOS: Rene Sendlhofer-Schag

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Rene Sendlhofer-Schag ist langjähriges Mitglied im Bundeslehrteam Mountainbike und seit 2020 Mountainbike-Koordinator des Österreichischen Alpenvereins. Er arbeitet als Reiseveranstalter und Fotograf in Graz.

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