„Handeln, nicht nur reden!“, lautet das Motto, wenn ehrenamtliche Helfer*innen Wege befestigen, Bäume pflanzen, Erosionsstellen begrünen oder den Bergbauern helfen. Junge Leute zwischen 16 und 30 Jahren werken unentgeltlich, beheben einen Umweltschaden oder helfen der Natur mit einem konstruktiven Beitrag. Allerdings treten neuerdings immer öfter Freiwillige, aber auch Kolleg*innen an mich heran, und fragen, ob denn diese oder jene Maßnahme wirklich ökologisch sinnvoll ist.

Wozu das Ganze?

Jüngst stellte mir jemand die Frage, ob es wirklich notwendig sei, die Natur von Sträuchern frei zu halten. Mein Gegenüber bezog sich dabei auf die Maßnahme des Almschwendens. Schwenden bezeichnet die Tätigkeit, eine Fläche durch (Brand-) Rodung urbar zu machen. Konkret werden dabei im Zuge der Umweltbaustellen Zwergsträucher wie Latschen, Wacholderbeeren oder Almrosen von der Almfläche entfernt, also „geschwendet“, um wieder gute Almweideflächen zu schaffen.

Begründet wurde die Frage damit, dass die alpine Region, ehe der Mensch eingegriffen hat, auch gut zurechtgekommen sei und die Biodiversität doch ohne menschliche Eingriffe viel größer und besser sein müsse. Und warum will man verhindern, dass sich die wilde Natur wieder ausbreitet und sich quasi die Kulturlandschaft einverleibt? Eine wirklich gute und berechtigte Frage, und ich musste einige Zeit nachdenken, um eine verständliche Antwort zu formulieren.

Mensch und Natur.

Denn ich gebe durchaus zu, dass die Natur auch ohne Almen oder auch ohne uns auskommt, aber der Mensch hat über Jahrhunderte eine Almstruktur im alpinen Raum geschaffen und dadurch eine klein strukturierte Landschaft mit einer hohen Artendichte hervorgerufen. Natürlich ging es ursprünglich nicht darum, die Artenvielfalt zu erhöhen und Biodiversität gehörte nicht zum alltäglichen Wortschatz. Es ging um qualitativ hochwertige Weide- und Mähflächen, die im Tal nicht vorhanden waren. Fakt ist jedoch, dass die Artenvielfalt (sowohl die der Tiere als auch die der Pflanzen) in einer mosaikartigen, kleinflächig strukturierten Landschaft deutlich höher als in einer einheitlichen Fläche ist.

»Es wechseln sich kurzgrasige mit langrasigen Flächen ab; es entstehen unterschiedliche Lebensräume und dies steigert die Anzahl der Arten.«

Leider wird jedoch heute aus unterschiedlichen Gründen – wie Personal- oder auch Zeitmangel – die Almwirtschaft sukzessive aufgelassen; diese ehemaligen Weide- oder Mähflächen verbuschen dann immer stärker und tendieren in ihrer natürlichen Entwicklung hin zu Waldflächen. Auch okay, werdet ihr euch nun denken und ihr habt recht! Greifen jedoch einige helfende Hände den Almbewirtschafter*innen unter die Arme, schwenden kleinflächig Almwiesen und verbringen das Schnittgut von der Fläche, hat das gleich mehrere Vorteile:

Die geschwendeten Bereiche werden für die Tiere als Weideflächen oder auch für die Bewirtschafter*innen als Mähflächen wieder interessanter. Es wechseln sich kurzgrasige mit langrasigen Flächen ab, es entstehen unterschiedlichste Lebensräume und dies steigert die Anzahl der Arten.Nebenbei sind Flächen im Gebirge, die bewirtschaftet werden, weniger erosions- und lawinenanfällig als solche, die nicht mehr bewirtschaftet werden.

»Schnuppert hinein und macht bei einer Umweltbaustelle mit!«

Umweltbaustelle Naturschutz
GEMEINSAM ANPACKEN BEIM SCHWENDEN AUF DER UMWELTBAUSTELLE.

Und so ist es mit vielen Maßnahmen, die im Rahmen der Umweltbaustellen durchgeführt werden, zum Beispiel auch bei Lesesteinmauern. Lesesteinmauern werden mit Steinen errichtet, die von den Weideflächen händisch verbracht und zu einer unverfug-ten Mauer aufgetürmt werden. Diese Mauern trenn(t)en die Weideflächen von den Mähflächen und stellen einen wunderbaren Lebensraum, vor allem für Insek-ten, Spinnentiere, Schnecken und Reptilien dar. Manch heimische Vogelart sucht sich dort ihre Nist- und Brutplätze.

Außerdem bieten die Lesesteinmauern auch für viele Pflanzengesellschaften wie Farne, Hauswurz-Arten und Mauerpfeffer ideale Lebensgrundlagen. Mir würden noch viele weitere Beispiele einfallen, handelt es sich hier immerhin um eines meiner Lieblingsthemen. Aber schaut doch einfach selbst: Schnuppert hinein und macht bei einer Umweltbaustelle mit – bei Fragen meldet euch gern bei Birgit Kantner.

Alle Informationen zu unseren Umweltbaustellen, Termine und Anmeldung findet ihr HIER.

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Birgit Kantner ist Mitarbeiterin in der Abteilung für Raumplanung und Naturschutz beim Österreichischen Alpenverein.

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